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Go East!

■ Wende in der US-Politik / Fünf amerikanische und über 20 sowjetische Unternehmen unterzeichnen Abkommen über Joint-ventures / US-Firmen wollen in der UdSSR Lebensmittel herstellen und verarbeiten / Der Dollar rollt und der Rubel wird bedingt konvertierbar

Berlin (taz) - Bis zur letzten Minute geheimgehalten wurde ein Abkommen, das fünf amerikanische Unternehmen und über 20 sowjetische Trusts und Ministerien, am Donnerstag in Moskau unterzeichneten. Im Zuge der Vorbereitungen wurde letztes Jahr in New York zwischen den beteiligten Firmen das American Trade Consortium (ATC) gegründet. Die jetzt getroffenen Vereinbarungen eröffnen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und den USA völlig neue Dimensionen. Sie bereiten den Boden für etwa 25 Joint -ventures, die in den nächsten anderthalb Jahren unter anderem in Moskau, Leningrad, Kiew, Tallin und Tbilissi gegründet werden sollen. Wie die 'International Herald Tribune‘ in ihrer Wochenendausgabe berichtet, gehen die Beteiligten von einem Investitionsvolumen zwischen fünf und zehn Milliarden Dollar in einem Zeitraum zwischen 15 und 20 Jahren aus.

„Das heißt nicht, daß wir gleich von Anfang an im Stande sein werden, ganz Rußland mit Oreo Cookies und Rize Crackers zu versorgen“, sagte einer der Sprecher der ATC am Donnerstag. Die Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln ist allerdings doch einer der Hauptsektoren, auf dem sich die amerikanischen Firmen in der UdSSR betätigen wollen. Die pharmazeutischen Industrie und die Energiewirtschaft sind weitere geplante Investionsfelder für die in dem amerikanischen Konsortium vereinten Firmen: Chevron Corp., Eastman Kodak Co., Johnson + Johnson, RJR Nabisco Inc. und Archer Daniels Midland Co.

Weil die Chevron Corp. für einen gewissen Währungsausgleich sorgen will, indem sie Produkte aus der sowjetischen Öl- und Gasförderung gegen harte Währungen im Ausland verkauft, ermöglichte umgekehrt der Ministerrat der UdSSR durch einen beispiellosen Sondererlaß erstmals die freie Tauschbarkeit von Rubeleinnahmen bei den übrigen Geschäften. Obwohl für die geplanten Joint-ventures auch günstige steuer- und arbeitsrechtliche Bedingungen eingeräumt werden, hat die Firma Ford einen Rückzieher gemacht. Noch letztes Jahr plante sie den Export von in der Bundesrepublik gefertigten Wagen der Marke Scorpio in die UdSSR. Ford-Präsident Philip Benton Junior erklärte in Detroit, die „finanziellen Arangements“ seien noch nicht „innovativ genug“. Er bezog sich damit offensichtlich auf die Achillesferse aller bisherigen Joint-ventures zwischen sowjetischen und ausländischen Firmen: die Weigerung der sowjetischen Staatsbank, den eigenen beteiligten Unternehmen eine Risikoversicherung zu bieten. Pleiten der sowjetischen Partnerfirmen wird die Regierung der UdSSR angesichts der politischen Bedeutung des Unterfangens wohl kaum riskieren. Ein Schwenk in der offiziellen amerikanischen Politik zeigt sich auch auf hochschulpolitischem Gebiet. Fast gleichzeitig mit dem Wirtschaftsabkommen vereinbarten die sowjetische Regierung und 13 amerikanische Universitäten am Freitag den Austausch von Studenten.

Die neue Politik läßt bisherige Äußerungen von US -Offiziellen zum Engagement bundesrepublikanischer Firmen in der UdSSR-Wirtschaft in einem neuen Licht erscheinen: nämlich als Gerede von Füchsen über saure Trauben. Noch während des Kohl-Besuchs in Moskau hatte Bush-Berater Andrew Falkiewicz erklärt: „Eine Bush-Administration wird sich nicht zu irgendwelchen Zugeständnissen treiben lassen und den Sowjets wirtschaftliche Hilfe gewähren... Wir denken nicht daran, für Perestroika und Glasnost zu bezahlen.“ Die sauren Trauben sind in der vergangenen Woche süß geworden: „Das Engagement der amerikanischen Gesellschaften erlaubt ihnen, sich an einem riesigen und potentiell unerschlossenen nationalen Markt zu beteiligen!“ verkündete der Konsortiumssprecher in Moskau.

Der Goldrausch hat begonnen! Kein Zweifel, der euro -amerikanische Track wird den „Wilden Osten“ stark verändern und auch den innersowjetischen Wirtschaftsspekulanten unbegrenzte Möglichkeiten eröffnen. Barbara Kernec

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