Noch sind Portugals Grüne keine politische Kraft

■ „Os Verdes“ versammelten sich am Wochenende in Lissabon zum Nationalkongreß / Trotz zahlreicher ökologischer Probleme ist die Partei im Land kaum bekannt / Die Ökopartei bedeutet für die Regierung Silvas keine Konkurrenz

Lissabon (taz) - „Os Verdes“? Nie gehört. Selbst Vorstandsmitglied Perfirio Alvez mußte am Wochenende in Lissabon fragen: „Wer sind die portugiesischen Grünen?“ und gleich darauf bekennen, daß er auch keine Antwort wisse. So hatten sich die 100 Delegierten auf dem IV. Nationalkongreß der portugiesischen Grünen selbst zu enträtseln.

Der grüne Parlamentsabgeordnete Herculano Pompo trägt nicht nur einen imposanten Namen, sondern auch Selbstbewußtsein zur Schau: „Wir sind die parlamentarische Speerspitze einer langsam aufkommenden Ökologiebewegung in Portugal“, meint er. Sprecher der Umweltverbände sehen dies anders - und blieben dem Parteitag demonstrativ fern. Denn seit ihrer Gründung 1981 haftet den „Os Verdes“ der Makel an, von der Kommunistischen Partei ferngesteuert zu sein, weil sie seit 1983 auf kommunistischen Bündnislisten kandidierten. „Os Verdes? Diese Leute kenne ich nicht“, meint selbst der Präsident der portugiesischen „Friends of the Earth“, in dem 10.000 Menschen organisiert sind.

Doch gerade auf die Kooperation mit den Bürgerinitiativen sind die Grünen angewiesen; nur mit der Unterstützung der Umweltbewegung können sie zu einer entscheidenden Komponente in der Ökologiepolitik werden. Seit sie sich für Naturparks starkmachte und einen Umweltstaatssekretär ernannte, ist die Regierungspartei Cavaco Silvas die maßgebliche umweltpolitische Akteurin, der die anderen Parteien nur wenig entgegensetzen.

Doch Ökologieprobleme gibt es auch in Portugal zur Genüge. Im Norden des Landes sind bereits durch heimische Kleinindustrie 80 Prozent der Flüsse zum Teil hochgradig vergiftet und jedes fünfte Gewässer organisch tot. Auch Europa trägt sein Scherflein zum Elend bei. Die Finanzspritzen des EG-Regional- und Strukturfonds sollen die Unternehmen in Nordportugal binnenmarktfähig machen. Da zählt jeder Pfennig - aber an umweltentlastende Investitionen wird nicht gedacht. Auf dem Grünen-Kongreß vielzitiertes Beispiel: die „Eucaliptizacao“. Fruchtbare Ackerböden, Olivenhaine und Weinbauflächen werden mit EG -Hilfe zu großflächigen Eukalyptus-Monokulturen umgewandelt, die den Boden auslaugen. Am 19. März, dem „Tag des Baumes“, setzte die Regierung berittene Nationalgarde gegen 2.000 Bauern ein, die gegen Neuanpflanzungen protestierten. Schlagzeilen über solche Aktionen haben den Boden bereitet für eine ökologische Bewegung, die die Bevölkerung für das weitaus gravierendere Problem der industriellen Verschmutzungen sensibilisieren kann. In den Industriekomplexen von Estarreja und Sines, in den Ballungsgebieten um Lissabon und Porto werden die EG -Immissionsvorschriften für Schwefeldioxid und Stickstoffoxid zum Teil um 80 Prozent überschritten. Zwar ist die Gesamtemission in Portugal im internationalen Vergleich relativ gering, doch vergleicht man sie mit dem Bruttosozialprodukt, so nimmt Portugal unter den OECD -Ländern eine negative Spitzenposition ein. Bei einem jährlich um zehn Prozent steigenden Autoverkehr und einem völlig veralteten Industriepark wird sich die Umweltqualität auch in Portugal in Kürze dramatisch verschlechtern. Wirtschaftliche Entwicklung hat absolute Priorität vor ökologischen Aspekten. Diese Strukturen spiegeln sich wider in einem zwar vorhandenen, aber ineffizienten Umweltrecht und einer vom Staat betriebenen Umweltpolitik, die den Anschein großer Taten erweckt, im entscheidenden industriellen Bereich jedoch gar nichts unternimmt.

Die portugiesischen Grünen, das zeigte der Kongreß am Wochenende, sind sich der potentiellen Gefahren, die Portugals Umwelt drohen, zwar bewußt, doch sie handeln nicht dementsprechend. Die „Os Verdes“ seien, so Alves zur taz, „im Vergleich zu den bundesdeutschen Grünen weniger aggressiv“, sie würden „integrierender“ wirken. Es sei nicht ihre Aufgabe, Unternehmen anzuklagen, sondern die Bürgerinitiativen auf konkrete Aktionen hinzuweisen. Doch gerade die BIs entschuldigen ihre Untätigkeit mit „mangelnder Kompetenz“. Hier wäre mehr Kooperation nötig.

„Wir sind eine Blume, die immer wächst“, freute sich Maria Santos am Samstag. Wenn „Os Verdes“ nicht den Brückenschlag zu den Bewegungen vor Ort finden, werden sie vielleicht die einzige blühende Pflanze sein. Nach dem Kongreß kann sich die Regierung noch beruhigt zurücklehnen.

Alexander Carius/smo