Und wieder Genosse Sachzwang

■ Betr.: „Bilinguale wehren sich“, taz vom 3.4.89

So, so, die Eltern, die ihr Kind zum bilingualen Gymnasium angemeldet haben, wollen sich einer „leistungsbezogenen Auswahl“ widersetzen. Ist es denn nicht in erster Linie der Leistungsgedanke (welche Leistung auch immer gemeint ist), der diese Eltern veranlaßt, die Kinder fernab ihrer sozialen Umgebung auf diese neueste Schöpfung frank'scher Schulpolitik zu schicken? Insofern ist das Herangehen der Bildungsbehörde doch nur konsequent, indem sie sagt: Wenn schon Elite, dann auch richtig. Allein wegen der vielen gutverdienenden Manager, für die diese Schule ja angeblich in erster Linie gegründet wurde, wäre es noch konsequenter, die Auswahl nach dem Einkommen der Eltern zu hierarchisieren. Dann könnte noch nicht einmal mehr F.D.P. -Jäger seine demagogischen Sprüche ablassen, denn Leistung würde sich schließlich wieder lohnen.

Mit der Einrichtung des bilingualen Gymnasiums hat Franke einen weiteren wesentlichen Schritt zur Zweiteilung des Bremischen Bildungswesens getan. Herausgehobene Elitegymnasien als Normengeber für gymnasiale Abteilungen einerseits und die Restschulen andererseits. Bildung wird durch die Verstärkung traditioneller und damit schichtenspezifischer Inhalte wieder mehr zum Privileg bestimmter Leute, der Rest darf unter Wahrung der Kostenneutralität ein wenig experimentieren. So kann sich der Senator bundesweit ein fortschrittliches Mäntelchen umhängen, obwohl die von ihm zugebilligten Maßnahmen kaum über eine Spielwiesenverbindlicheit hinauskommen.

Die Sozialdemokratie macht in Bremen den bildungspolitischen Spagat: Chancengleichheit wird postuliert - der Ausbau von Bildungsprivilegien wird praktiziert. Nach dem auch vorher absehbaren Run auf das öffentliche Supergymnasium wird der alte Pragmatiker Franke argumentieren: Wenn die Eltern solch eine Schule wollen, dann müssen wir eben für diese Eltern mehr solche Einrichtungen bereitstellen. So werden erst bestimmte Bedürfnisse forciert, um sie hinterher als Alibi für eine objektiv konservative Bildungspolitik zu nutzen. Natürlich habe das niemand so gewollt, aber der Genosse Sachzwang lasse leider keine andere Lösung zu, wird der Senator sagen und seine Hände in Unschuld waschen.

Helmut Zachau