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Schamir hat „Ideen“, aber keinen Plan

Israels Ministerpräsident am Donnerstag in Washington / Kontroverse um Gespräche mit der PLO / Die angeblich neuen Vorschläge Schamirs stammen größtenteils schon aus dem Jahre 1978  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Es ist noch nicht lange her, da war von einem „Friedensplan“ des israelischen Ministerpräsidenten Jizhak Schamir die Rede, der anläßlich seines Besuchs in Washington „enthüllt“ werden sollte. Gestern hat der Regierungschef seinen zehntägigen Aufenthalt in den USA angetreten. Bereits im Vorfeld der Reise wurde nicht mehr von einem Plan zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts gesprochen, sondern lediglich von „neuen Ideen“, die in Washington eingebracht werden sollen.

So neu sind diese Ideen freilich nicht. Sie orientieren sich an dem Camp-David-Abkommen von 1978, das eine lokale Selbstverwaltung für die Einwohner der Westbank und des Gaza -Streifens vorsieht - als Zwischenlösung mit offenem Ende sozusagen. Schamir befürwortet zwei Wahlrunden, eine für die Posten in der örtlichen Verwaltung und eine zweite zur Bestimmung der Vertreter für direkte Verhandlungen mit Israel und Jordanien.

Worüber dann allerdings geredet werden soll, bleibt nebulös. Der Ministerpräsident lehnt die Errichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates genauso ab wie Gespräche mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und möchte auch die Kontrolle über die besetzten Gebiete nicht aus der Hand geben. Eine internationale Nahost -Friedenskonferenz unter Beteiligung der ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates und aller Betroffener, inklusive der PLO, lehnt er ebenfalls ab. Allerdings scheint er mittlerweile bereit zu sein, eine kurze internationale Eröffnungszeremonie unter den Auspizien der beiden Supermächte und dem UN-Generalsekretär Perez de Cuellar als Einstieg für direkte Gespräche zu akzeptieren. Im Rahmen dieser groben Linien ist Schamir durchaus flexibel und zu Konzessionen bereit, die der US-Administration entgegenkommen. Schließlich ist Ministerpräsident Schamir daran gelegen, die Gunst der öffentlichen Meinung in den USA zurückzugewinnen. Als Gegenzug für Konzessionen möchte er die strategische Allianz mit den USA weiter ausbauen und hofft auf mehr politische, finanzielle und militärische Unterstützung.

Die wichtigste Differenz zwischen George Bush und Jizhak Schamir ist jedoch nicht auf der Ebene der großen Entwürfe angesiedelt, wo der US-Präsident vage Formulierungen bevorzugt. Sie betrifft die Frage, wann Israel endlich bereit ist, mit der PLO zu reden. Wiederholte Bemerkungen des US-Präsidenten, Israel habe möglicherweise keine andere Wahl, sind nichts anderes als eine höfliche Umschreibung dafür, daß in den Augen der US-Administration der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.

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