: „Fremdesser“ in der Mensa
■ An der Hochschule Bremen gibt's Mensaessen nur noch gegen Ausweis / StudentInnen schufen Abhilfe, damit „Fremdesser“ auch gespeist werden
Die tägliche Schlange an der Essensausgabe I in der Mensa der Hochschule Bremen ist mittlerweile so lang, daß bei vielen Studierenden die Mittagspause gar nicht mehr ausreicht, um „auch noch das Essen herunterzuwürgen“. Selbst Rektor Mönch hat seine Konsequenzen gezogen: „Meistens esse ich gar nicht, weil mir das zuviel ist. Oder ich komme ganz früh, oder erst kurz vor zwei Uhr.“ Das Studentenwerk der Hochschule hat seit dem 1. April eine bisher untaugliche Neuerung eingeführt, um die Schlangen zu verkürzen: Alle Mensa-EsserInnen müssen ihren StudentInnen-Ausweis oder ihren Dienstausweis hervorkramen, bevor sie Mensamarken erwerben können. Unliebsame „Fremdesser“ sollen so von den hungrigen Hochschulangehörigen getrennt werden. Doch neben dem Kasten mit dem Glasfenster, wo die Essensmarken verkauft werden, haben die vier Hochschul-Asten einen Tisch aufge
baut, an dem sie ihrerseits Marken an alle diejenigen verkaufen, die der freundlichen Verkäuferin hinter Glas nicht mit einem Hochschul-Ausweis dienen können: An StudentInnen, die ihren Ausweis vergessen haben, an Arbeitslose, an SozialhilfeempfängerInnen und an alleinerziehende Frauen, die mit ihrem Kind in der Mensa billig essen wollen. Rund 250 „Fremdesser“ haben die ASTA -Mitglieder pro Tag bisher gezählt und auf ihren Strichlisten haben sie auch festgehalten, zu welchen Zeiten diese Mensa-NutzerInnen zum Essen kommen: Nämlich dann, wenn auch der Rektor schlauerweise kommt, weil sich die Studi -Schlangen vor dem „serbischen Reisfleisch“
und dem „Schweinebraten mit Rotkohl“ dann noch gar nicht gebildet haben - bevorzugt um kurz nach zwölf Uhr mittags. Den Rektor allerdings überzeugt diese Statistik nicht.
Die Essensmarken jedenfalls geht den ASTA-VertreterInnen nicht aus. Jederzeit können sie sich mit ihren Studentenausweisen ordnungsgemäß Nachschub bei der freundlichen Frau hinter dem Glasfenster kaufen. Doch auch wenn die Studierenden die Aktion „Studentenausweis“ mit ihrer pfiffigen Gegenaktion zu Fall bringen könnten, hätten es die sozial schwachen „Fremdesser“ weiterhin schwer. Denn Rektor und Studentenwerk denken darüber nach, ein vollauto
matisiertes Scheckkartensystem einzuführen, um den Kreis der zu Speisenden einzuschränken. Zwar soll, so Rektor Mönch, bereits im Sommer mit dem millionenschweren Um-und Ausbau der Mensa begonnen werden (Resultat von studentischen Protesten im Dezember), doch der Engpaß würde dadurch nicht behoben: Spätestens 1991 sollen nicht nur die Fachbereiche Technik, Nautik und Wirtschaft, sondern auch noch der FB Sozialwesen in der Mensa am Neustadtswall gesättigt werden.
-Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer: Könnte doch auch ein vollautomatisches Scheckkartensystem durch findige Studierende außer Kraft gesetzt werden.
B.D.
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