: Die Fehlkalkulation der Swapo
Swapo-Führer Sam Nujoma hat am Dienstag erneut bestritten, daß die 1.200 Swapo-Guerillas, die zur Stunde im Norden Namibias gegen südafrikanische Einheiten kämpfen, aus Angola in das Land gekommen sind. Nujoma zufolge waren die Kämpfer schon seit langem in ihrem Heimatland.
UNO-Beobachter bestätigen dagegen die Darstellung Südafrikas, wonach Hunderte von Guerilleros in mehreren Gruppen seit Freitag letzter Woche die Grenze überquert haben. Das wird durch Aussagen von gefangenen Swapo-Kämpfern unterstützt. Zudem waren UNO-Beobachter erst vor wenigen Wochen im Norden Namibias und fanden damals keine Swapo -Lager.
Diplomaten aus sozialistischen Ländern verbreiteten in New York die Information, Nujoma habe letzten Mittwoch seine Kämpfer in Angola besucht und ihnen Anweisung gegeben, nach dem 1.April nach Namibia zu gehen, um dort Lager einzurichten. In diesen Lagern sollten sie sich dann von der UNO überwachen lassen.
Das Friedensabkommen zwischen Südafrika, Angola und Kuba sieht vor, daß Swapo-Guerilleros in Lagern in Angola versammelt werden, und zwar mindestens 200 Kilometer nördlich der Grenze, hinter dem 16.Breitengrad. Dort sollten sie ihre Uniformen und Waffen an die UNO übergeben und dann ab Juni als zivile Flüchtlinge nach Namibia zurückkehren. Die jüngste Swapo-Strategie ist nun klar.Nujoma wollte die UNO dazu zwingen, statt dessen innerhalb Namibias Lager für die - bewaffneten - Kämpfer einzurichten. Das hätte der Swapo sicher neue Unterstützung in der Bevölkerung gebracht.
Die Swapo-Führung hat jedoch die Situation falsch eingeschätzt. Zwar waren südafrikanische Soldaten - wie im Vertrag vorgesehen - auf ihre Lager beschränkt. Doch die Polizei patrouillierte nach wie vor entlang der Grenze. Und die berüchtigten „Koevoet„(Brecheisen„-)Sondereinheiten zögerten nicht, auf die Guerilleros zu schießen. Immerhin hatten sie 20 Jahre lang mit grausamen Methoden gegen die sogenannten „Terroristen“ gekämpft. Innerhalb kürzester Zeit eskalierten die Gefechte
Schuld der UNO
Die Friedenstruppen der „United Nations Transition Assistance Group“ (Untag) waren lange nicht stark genug, um die ab 1.April vorgesehenen Grenzpatrouillen durchzuführen. Bis heute sind weniger als 1.000 der geplanten 4.650 Truppen in Namibia, und die notwendige Ausrüstung befindet sich noch auf hoher See. UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar wirft diese Verzögerung dem Sicherheitsrat vor, der wochenlang über die Finazierung und Stärke der Untag gefeilscht hatte.
Zum anderen ist die Swapo vertragsbrüchig geworden. Die UNO -Resolution 435 schreibt vor, daß sie wie die Südafrikaner ab 1.April auf ihre Lager beschränkt werden. Dennoch haben Swapo-Guerilleros ihre Lager verlassen, um nach Namibia zu kommen. Die UNO hat das zugelassen, hat die Swapo-Lager in Angola offenbar nicht angemessen überwacht.
Der Rückzug der Swapo-Kämpfer hinter den 16.Breitengrad ist Bestandteil des Genfer Abkommens, das Südafrika, Angola und Kuba am 5.August 1988 unterzeichnet haben. In einem Brief vom 12.August an Perez de Cuellar erklärte Nujoma ausdrücklich, daß Swapo sich an die in dem Abkommen vereinbarte Waffenruhe halten würde. Am 18.März schrieb er erneut an Perez, daß aus der Waffenruhe „infolge des Genfer Protokolls“ ein formaler Waffenstillstand werden sollte und zwar am 1.April um 4 Uhr Weltzeit. Vier Stunden später gab es die ersten Kämpfe mit südafrikanischer Polizei.
Von den Südafrikanern ist militärische Zurückhaltung kaum zu erwarten. Swapo-Kämpfer werden gnadenlos niedergemetzelt. Diplomatisch steht Südafrika jedoch unbescholten da. Es hat sich bis jetzt an die verschiedenen Abkommen gehalten. Und so wird die UNO große Schwierigkeiten haben, Südafrikas Forderungen abzuweisen. Zu erwarten ist mindestens, daß die Guerilleros jetzt von der UNO entwaffnet und nach Angola zurückgeschickt werden.
Trotz wiederholter Drohungen der Südafrikaner bleibt ein Abbruch des Unabhängigkeitsprozesses aber unwahrscheinlich. Südafrika hat weiterhin Interesse an einem diplomatischen Erfolg - vor allem, nachdem das internationale Image der Swapo schwer angeschlagen ist. Südafrikas Außenminister Roelof Botha versuchte gestern, ein Dringlichkeitstreffen der Sicherheitskommission einzubkerufen, in der Angola, Kuba und Südafrika vertreten sind. Angola, Kuba und die Sowjetunion wollen offenbar unbedingt den Friedensprozeß erfolgreich abschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen