piwik no script img

Grenzschutz blickt in jeden Geldbeutel

Nach dem Bonner Devisenzwang Schwarzmarktboom in Polen? / Zweifel an der Wirksamkeit des geplanten Einreisestopps / Asylbewerber und Zuzügler aus Berlin ausgenommen / Kohl bald nach Polen?  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Auf gemischte Reaktionen sind gestern die von der Bundesregierung verkündeten Einreisebestimmungen für polnische StaatsbürgerInnen gestoßen. Als in Westeuropa bisher einzigartige Maßnahme müssen Polen, die ohne Einladung von Verwandten in die Bundesrepublik reisen, künftig für jeden Tag ihres Aufenthaltes 50 Mark in bar vorweisen. Diese 50 Mark entsprechen in Polen dem Eineinhalbfachen eines Monatslohns. Nach Auskünften des Bonner Auswärtigen Amtes steht fest, daß die bundesdeutschen Behörden sich allein mit einem Devisennachweis bei der Visabeantragung in der deutschen Botschaft in Warschau nicht zufriedengeben werden. Zusätzlich sollen Grenzschutzbeamte prüfen, ob die Polen bei ihrer Einreise den erforderlichen Geldbetrag auch tatsächlich in der Tasche haben.

Auf Unverständnis und Protest sind die bisher einmaligen Devisenvorschriften bei den Sozialdemokraten gestoßen. In Berlin lebende Polen kommentierten die Einreiseerschwernisse als „Riesensauerei“. „Wenn die Bundesregierung die Grenze für Polen dichtmachen will, dann soll sie es auch so sagen!“ Allerdings würden diejenigen, die wirklich in die Bundesrepublik reisen wollten, auch Mittel und Wege finden, sich das nötige Geld zusammenzuleihen, und es nach ihrer Rückkehr zurückzugeben. Der Weg würde jetzt zwar schwieriger, „aber wir Polen sind kluge Menschen“. Nun würde halt wieder der Schwarzmarkt mit Devisen weiter angekurbelt.

Im Bonner Außenministerium mußte man gestern zugestehen, daß die beschlossene Regelung in vielen Fällen gar nicht greifen wird. Polnische Asylantragsteller, die im letzten Jahr eine große Gruppe der Einreisenden ausmachten, dürfen auch ohne die nötigen Devisen nicht an der Grenze abgewiesen werden. Für West-Berlin gilt der Devisenzwang ohnehin nicht. Hier dürfen Polen - das wurde gestern noch einmal von den Alliierten bekräftigt - weiterhin ohne jegliche Zuzugsbeschränkung für 30 Tage einreisen.

Doch zumindest diejenigen, die zum Zweck der illegalen Beschäftigung in die Bundesrepublik einreisen, hoffe man durch die neue Regelung „herauszufiltern“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn. Man sei zwar aus außenpolitischen Gesichtspunkten nicht sehr glücklich über die beschlossene Regelung. Angesichts der vielen einreisenden Polen habe man aber unter „Handlungszwang“ gestanden. Im letzten Jahr hatte die deutsche Botschaft in Warschau mehr als 750.000 Visa für die Bundesrepublik erteilt. Die überraschenden Einreisebeschränkungen sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht mit der polnischen Regierung abgesprochen, doch sei bisher von polnischer Seite weder formell noch informell daran Anstoß genommen worden.

Regierungssprecher Friedhelm Ost erklärte gestern, die Bemühungen um eine Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses machten gute Fortschritte und möglicherweise werde Kanzler Kohl schon Mitte dieses Sommers zum offiziellen Staatsbesuch nach Polen reisen. Ob das wirklich so ist, wird heute Kohls außenpolitischer Berater Horst Teltschik erfahren, der gestern nach Warschau reiste. Ob er den polnischen Grenzbehörden bei seiner Einreise seine Diners-Club-Karte vorlegen mußte, ist nicht bekannt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen