: Aufatmen in Israel nach Treffen Bush-Schamir
Ministerpräsident Schamir fand Zustimmung für seine „neuen Ideen“ / In den besetzten Gebieten soll gewählt werden / Palästinenser lehnen „Mülleimer-Autonomie“ ab / USA und Israel einig gegen den Palästinenserstaat / USA wollen zwischen Israel und PLO vermitteln ■ Von A. Wollin und B.Seel
Mit dem Begriff „erleichtertes Aufatmen“ läßt sich die politische Reaktion in Israel auf die Begegnung zwischen Ministerpräsident Jizchak Schamir und US-Präsident George Bush am Donnerstag am besten umschreiben. Die von vielen befürchteten ernsten Meinungsverschiedenheiten in den Gesprächen der beiden Politiker blieben aus. Statt dessen übernahm Bush die „neue Idee“ Schamirs, Wahlen in den besetzten Gebieten durchzuführen, bei denen Vertreter für eine begrenzte Selbstverwaltung (Autonomie) und einer palästinensischen Verhandlungsdelegation bestimmt werden sollen.
Einig waren beide Politiker auch in der Ablehnung eines Palästinenserstaates an der Seite Israels. Einen anderen Akzent als sein Gast setzte der US-Präsident, als er betonte, die „Zwischenlösung“ der Autonomie müsse zu einer endgültigen Regelung führen. Außerdem sprach sich Bush erneut gegen eine dauerhafte israelische Besatzung der Westbank und des Gaza-Streifens aus.
Der Kern des zu „Schamirs Friedensplan“ avancierten „neuen Ideen“ des israelischen Regierungschefs ist bereits im Camp -David-Abkommen von 1978 festgeschrieben. Mit den Wahlen in den besetzten Gebieten will Israel, das nach wie vor Verhandlungen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO strikt ablehnt, andere, legitimierte palästinensische Gesprächspartner finden.
Neue alte Ideen
In einem Vortrag im „American Enterprise Institute“ wurde der israelische Ministerpräsident am Donnerstag abend etwas deutlicher, wie er sich diese Wahlen vorstellt. Den Vorschlag einer internationalen Überwachung selbst durch ein befreundetes Land wie die USA wies er zurück. Was die Kandidaten anbelangt, so scheint er davon auszugehen, daß offene Unterstützer der PLO in den besetzten Gebieten gar nicht erst antreten können. Er erklärte, jeder, der kandidieren wolle, müsse akzeptieren, daß es bei den Gesprächen um eine Autonomie-Zwischenlösung gehen werde, nicht aber um einen unabhängigen Palästinenserstaat.
„Mülleimer-Autonomie“
Doch eine solche Lösung lehnen die Palästinenser als „Mülleimer-Autonomie“ ab. Denn: Was nützt die Befassung mit lokalen Belangen, wenn die Besetzungsmacht nach wie vor Institutionen schließen kann und die eigenen Organisationen in die Illegalität verbannt sind?
In ersten Reaktionen in den besetzten Gebieten auf die Gespräche in Washington wurde vor allem kritisiert, daß die Kernfrage, nämlich die Besatzung, überhaupt nicht thematisiert worden sei. Halad Ashawi, Professorin an der palästinensischen Bir-Zeit-Universität, wollte die Möglichkeit von Wahlen nicht grundsätzlich ausschließen, sie aber an bestimmte Bedingungen knüpfen: „Wir wollen, daß alle Gefangenen freigelassen werden und alle Ausgewiesenen zurückkehren können. Wir wollen unsere Führer selbst bestimmen und uns in Parteien organisieren. Wir brauchen eine umfassende Friedenslösung und nicht einen Frieden auf Raten.“ Andere Palästinenser sprachen sich für freie und demokratische Wahlen nach einem israelischen Truppenrückzug aus oder verwiesen darauf, daß es ja bereits eine palästinensische Vertretung für Verhandlungen gebe, nämlich die PLO-Zentrale in Tunis.
Schamir zufrieden
Für die USA und Israel wird es jetzt darum gehen, in gemeinsamen Expertenrunden weitere Details auszuarbeiten. US -Beamte sind der Auffassung, daß nur dank der Entscheidung des Weißen Hauses, selbst die keineswegs zufriedenstellenden Ideen Schamirs als Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung zu akzeptieren, der Krach habe vermieden werden können. In privaten Gesprächen mit Schamir habe Bush auch betont, daß Israel die legitimen Forderungen der Palästinenser anerkennen und die PLO an einem künftigen Friedensprozeß teilnehmen müsse. Dabei gedenken die Vereinigten Staaten die Rolle eines Vermittlers zwischen Israel und der PLO zu spielen. Die US-Administration sieht in der Autonomie und der Wahl von „palästinensischen Arabern aus Samaria, Judäa und Gaza“ (Schamir) einen möglichen Eröffnungszug im künftigen Schachspiel, das allerdings im Laufe der Zeit Probleme für Israel nach sich ziehen wird, von denen einstweilen noch nicht die Rede ist.
Schamir kann jedenfalls zufrieden nach Hause fahren. Seine Botschaft wird lauten: Die Pläne der israelischen Regierung werden in Washington akzeptiert. Bush erwähnte die von der EG, der PLO und den arabischen Staaten favorisierte internationale Nahost-Konferenz nicht und nahm das Wort PLO nicht in den Mund. Er sprach auch nicht vom „palästinensischen Land“, das gegen Frieden „getauscht“ werden müsse, eine Formel, die für Schamir ein rotes Tuch ist. Die neue Formel lautet: mit den USA als Vermittler für eine Autonomie-Zwischenlösung, die dem palästinensischen Aufstand ein Ende bereiten soll.
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