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Gott in der Diaspora

In Bremens Partnerstadt Corinto wird gebetet für die Auferstehung - der Völker  ■  Papierschiffchen und Colibris beim Gottesdienst / „Schuld

ist der Imperialismus“

„Nehmen wir mal an, die Hölle würde abgeschafft. Dann würde mindestens die Hälfte aller Katholiken vom Glauben abfallen. Uns Baptisten würde es nichts ausmachen, denn wir glauben, weil wir Christus lieben, und nicht, weil wir die Hölle fürchten.“ Pastor Elmer Barahona macht dicke Backen, wenn es gegen die katholische Konkurrenz geht. Deren Kirche steht in Bremens nicaraguanischer Partnerstadt Corinto direkt am Marktplatz. Mit einem großen Blechadler an der Fassade weist Padre Schendel auf seine Doppelfunktion als katholischer Seelsorger und bundesdeutscher Honorarkonsul hin. Wenn in der ersten Kirche am Platz die Glocken läuten, warten die Gläubigen schon dicht gedrängt in den Bänken.

Nicht so in der Baptisten-Gemeinde, zwei Straßenecken vom Marktplatz entfernt. Dort verlieren sich beim „culto“ am Sonntag nachmittag zwei Dutzend Kirchgänger unter dem stolzen Wellblechdach, die kanppe Hälfte davon gehört direkt zur Familie des Pfarrers, der solcherart zumindest einen Vorteil gegenüber seinem katholischen Konkurrenten ausspielen kann.

„Gott ist nicht irgendwo im Himmel, Gott ist bei uns“, ruft Pastor Barahona seiner kleinen Gemeinde zu. Ein verirrter Kolibri dreht unterdessen erschrockene Runden um den Altar. Die Pastorenkinder tauschen Fotos aus, gehen zum Brunnen, um Wasser zu trinken oder die Seetüchtigkeit der zuvor gefalteten Papierschiffchen zu testen, kommen wieder herein. „Unser Glauben ist von dieser Welt“, predigt Pastor Barahona weiter, „wir brauchen keine großartigen Zeremonien.“

Auf dem Altar liegt ein einfaches lilafarbenes Tuch, eine E -Gitarre unterstützt die Gospels der Gemeinde. Pastor Barahona braucht nicht viel Aufwand für seine Abrechnung mit dem mittelamerikanischen Katholizismus. „Als die Contra beim Überfall auf ein nicaraguanisches Dorf vier Kinder ermordete“, bereitet er ein neues Argument vor, „da sagte der Bischof: 'Es sind ja nur die Körper gestorben, die Seeleen leben weiter‘.“ Für solchen Zynismus hat Pastor Barahona ein klares, knappes: „So nicht!“ Und für das Sterben der Kinder eine ebenso klare Erklärung: „Schuld ist die Ausbeutung, der Imperialismus.“ Das Thema der Predigt eine Woche nach Ostersonntag - ist die Auferstehung. „Ich glaube an die Auferstehung,“ betet die Gemeinde. „Ich glaube,“ predigt Pastor Barahona seiner kleinen Corinter Gemeinde, „ich glaube an die Auferstehung der Völker.“

Dirk Asendorpf aus Corinto

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