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„Kritische Woche“ an der Uni

■ Mitte April soll an der Universität eine „Kritische Woche“ und ein politischer Kongreß den Wintersemester-Streik aufarbeiten / Interview mit Streikräten

taz: Der Streikrat hat sich zu Beginn des neuen Semesters in der letzten Woche wieder getroffen. Ist der Streik nicht vorbei?

Christof Kuchenbach: Der Streikrat hat die ganzen Ferien über regelmäßig getagt, er befaßt sich seit dem Ende des Vorlesungs-Semesters im Februar mit der Auswertung und der Perspektive dieses Semesters. Geplant ist zum Beispiel eine „Kritische Woche“ und ein StudentInnen-Kongreß am 21./ 23. April ...

Kritische Woche - was ist das?

Christof: Die wird an der Universität vom 17. bis 21. April stattfinden und hat zum Ziel, neben einer Streikauswertung auch den autonomen Veranstaltungen, die sich während des Streiks gebildet haben, wieder einmal Platz einzuräumen.

D.h. eine Woche keine Vorlesungen und Seminare, sondern Diskussionen. Und was ist der Kongreß?

Christof: Der Kongreß soll dem überregionalen Austausch dienen. Von Anfang an haben wir gesagt, daß der Streik nicht auf die Universtät beschränkt sein soll, sondern auch andere gesellschaftliche Gruppierungen angeht. Die sind bei dem Kongreß eingeladen und einbezogen.

Doros Polykarpon: Der Streikrat hat im Moment nicht die Strukturen wie am Anfang. Die Aufgabe des Streikrates war es aber, auch nach dem Ende des Streiks wei

tere Aktionen vorzubereiten.

Was wollt ihr in diesem Semester noch erreichen?

Doros: Es hat noch keine ausführliche Auswertung in der StudentInnenschaft über die Aktionen des letzten Semesters gegeben. Meine Einschätzung ist: Trotz aller Widersprüche bei den Ergebnissen, trotz aller Konflikte um die Kompetenzen dieser viertelparitätischen Kommissionen haben wir mit den Streikaktivitäten erreicht, daß alle Kräfte an der Uni, alle Statusgruppen heute sagen: Die Uni muß die Diskussion aufnehmen für eine neue Reformkonzeption. Im Moment kommt es darauf an, diese Situation zu nutzen. Dazu soll es in der „Kritischen Woche“ in den Fachbereichen kommen. Auf dem Kongreß soll das für die Gesamtuniversität diskutiert werden.

Jan Sürig: Der Uni-Streik hatte nicht nur mit der universitären Bildung, sondern auch mit gesellschaftlichen Problemen insgesamt zu tun. Dazu soll der Kongreß da sein, da geht es um Fragen von Linken allgemein.

Der Kongreß richtet sich nicht an alle Studenten, sondern an die, die sich als Linke verstehen?

Jan: Ich denke, die im Streik aktiver geworden sind, das sind vor allem die, die sich als links verstehen.

Doros: Wir haben immer darauf Wert gelegt, daß es keine Ausgrenzung auf diesem Kongreß

gibt. Alle Studierenden können die Arbeitsgruppen, die sie wichtig finden, einbringen.

Was sagt ihr zu dem Brief des Rektors? (vgl. taz 3.4.)

Doros: Es ist gut, wenn der Rektor jetzt im Nachhinein sich hinsetzt und an die Studenten schreibt: Der Streik war eine tolle Sache. Aber meinem Eindruck nach will der Rektor die Aktionsform der Besetzung für illegal erklären und auf der anderen Seite jetzt ein bißchen den Protest kanalisieren.

Jan: Die Gefahr besteht natürlich, daß die Diskussion über die Umstrukturierung der Uni versandet in den neuen Gremien.

Christoph: Der Rektor bezieht in seinem Brief den Streik ausschließlich auf materielle Sachen, das würde eine Diskussion um die Sachen, die uns eigentlich wichtig sind, verhindern: Daß nämlich die StudentInnen bereit sind, über gesellschaftliche Probleme zu diskutieren...

Diese materiellen Probleme waren es doch, die hunderte auf die Straße gebracht haben...

Christof: Das war der Anlaß, ja. Aber in Bremen ist es noch nicht so schlimm wie an anderen Unis, es sind eher die schlechten Aussichten, die die StudentInnen mobilisiert haben.

Was ist eure Interpretation des Streiks gegenüber der des Rektors?

Doros: Ich bin anderer Meinung

als Christof. Der Fehler wird gemacht, die gesellschaftliche Verantwortung der Universität gegen die Ausstattung der Uni auszuspielen. Deshalb denke ich, daß die Studierenden in der nächsten Zeit den Ausbau der Uni nicht aus den Augen verlieren dürfen. Über diese kleinen Schritte in die Richtung, die meiner Ansicht nach gemacht worden sind, müssen wir jetzt dazu kommen, eine Gesamtkonzeption für die Universität zu entwickeln und auch durchzusetzen. So daß wir sagen können: Das ist die Universität, die wir wollen. So weit sind wir noch nicht, daß muß man auch selbstkritisch sagen.

Jan: Das ist genau der Punkt. Ich habe keinen Bock darauf, daß über minimale Erfüllung der materiellen Forderungen dieser Protest gestoppt wird. Da sehe ich eine Gefahr, wenn ich mir diesen Brief des Rektors ansehe.

Wo müßte Deine Interpretation des Streiks ansetzen?

Christof: Unzufriedenheit mit der Stellung der Uni in der Gesellschaft. Wie weit läßt sich die Universität von der Wirtschaft ausnutzen - das ist ein wesentliches Thema. Dahin möchte ich kommen, daß sich viele Leute die Notwendigkeit sehen, darüber Gedanken zu machen. Deshalb bieten wir einen solchen Kongreß an und versuchen, die Leute in gesellschaftliche Diskussionen zu verwickeln.

Int.: K.W.

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