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Bremer will Corinto helfen

Bürgermeister Klaus Wedemeier als Staatsmann in der nicaraguanischen Partnerstadt Corinto:  ■  Vertrag unterzeichnet, Gastgeschenk überreicht, Armut

besichtigt / Lob für Bremer Initiativen

Aus Corinto Dirk Asendorpf

Als Klaus Wedemeier am Samstagmorgen dem schneeweißen Daimler-Benz entstieg, hatte er für einen Moment hautnah, wovor ihn getöntes Glas und airconditioning bislang bewahrt hatten: Barfüßige Kinder in der staubigen Hitze Corintos. Einen Moment stand der Bremer Bürgermeister sprachlos vor dem Rathaus seines nicaraguanischen

Städtpartner-Kollegen Ramon Garache, von dessen hohen Brettern der heiße Wind die Farbe kratzt. Einen Moment lang sah der deutsche Gast der Handkarre nach, auf der ein gebückter Arbeiter Zentnersäcke Zement in Richtung Hafen schob. Einen Moment lang roch er die Mischung aus fauligen Mangos, brackigem Wasser und fischigem Schweiß, der in Corintos Luft hängt. Doch dann ging ein Ruck

durch den Senatspräsidenten, das blaue Polohemd straffte sich über der karierten Leinenhose und den weißbesockten Füßen, die Blaskapelle tönte los, und der Staatsakt konnte beginnen.

Gold-rot-schwarz flattert die Fahne des Städtepartners über dem Rathaus in Corinto. „Rot-schwarz, das sind die Farben der Sandinisten“, witzelt dessen Bürgermeister zur Entschuldigung der Farbenverdrehung.

„Schwarz-rot-gold, das waren die Farben der deutschen Revolution“, erwidert streng der Bremer Kollege.

Dann geht es direkt an den Schauplatz des schwersten Kampfes, der zur Zeit in Corinto geführt wird: In der Nacht vor dem Bürgermeisterbesuch hat eine Sturmflut wieder ein Stück Stadt überspült, 32 Familien mußten evakuiert werden. Der Deich ist in Planung, doch es fehlt das Geld. „Wir wollen gerne helfen“, verspricht Wedemeier im Lärm des Bulldozers, der gerade versucht, Sand vor das Loch in der Düne zu schieben. Schon das Nachmittags-Hochwasser reißt den Schutz wieder auf.

„Sie haben in den letzten 10 Jahren einen schweren Kampf gegen die Diktatur und zur Verteidigung der Revolution führen müssen“, erklärt Bremens Bürgermeister am Abend der kleinen Schar Sandinisten, die zur offiziellen Vertragsunterzeichnung vor das Hospital gekommen sind. „Mein besonderer Gruß gilt den Familien, die dabei Söhne und Töchter haben opfern müssen. Wir hoffen, daß das nicht umsonst war.“

Bürgermeisterliches Lob gibt es für alle Bremer Initiativen, die seit Jahren mit Brigaden, finanziellem und organisatorischem Einsatz in Corinto arbeiten. „Die Städtepartnerschaft, die wir heute besiegeln wollen, soll die Hilfe der Stadtgemeinde Bremen und der vielen Initiativen auch politisch unterstützen“, sagt We

demeier ins Mikrofon. Vorbei scheint der Bremer Etikettenstreit, in dem noch Ende vergangenen Jahres zum Zorn der Initiativen aus der „Partnerschaft“ überraschend eine „Freundschaft“ geworden war. Gleich mehrmals, fern von der Bremer FDP und CDU, die sich einer Partnerschaft mit der so viel kleineren und ärmeren nicaraguanischen Hafenstadt verweigert hatten, spricht Wedemeier von der neuen „Städtepartnerschaft“. Als offizielles Gastgeschenk hat er zwei Speckflaggen und ein Bild des Bremer Rathauses aus dem 15. Jahrhundert mitgebracht.

„Die Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“, hat Corintos Bürgermeister zuvor seinen Staatspräsidenten zitiert und von der KFZ-Ausbildungswerkstatt über den Hühnerstall der BRAS bis hin zu den 50.000 Mark Bremer Soforthilfe nach dem Wirbelstrum des vergangegenn Jahres alles aufgezählt, was an Bremer Geld und Projekten in Corinto zu finden ist.

Einen kurzen ersten Moment war Klaus Wedemeier aus dem gekühlten Luxus des Dienst-Daimlers in Corintos heiße Armut gestolpert, doch schon Minuten später hielt der Bremer Staatsmann eins der barfüßigen Kinder strahlend auf dem Arm

-und ins Bild der allgegenwärtigen Kamera von Buten & Binnen.

Vgl. ausführlich die taz-Sonderseite aus Corinto vom letzten Samstag, 8. April 1989.

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