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Swinging Metropolis

■ 24. Für'n Groschen Liebe

Nachschlag: Dieser Beggar's Opera Komponist Christopher Pepusch hatte wahrscheinlich kein Glück mit seinem Heimatstädtchen. Um 1700 verließ er die mies dotierte HofkapellenStelle des rund 6000 Seelen zählenden Ortes, um in London sein Auskommen zu suchen. 1928, zur Premiere der Dreigroschenoper, weiß kein Aas von ihm, der eigentlich auf den Vornamen Christof getauft und Berliner war.

Brecht ists recht, denn abgesehen von dem schweigenden, weil nicht eingeschalteten Leierkasten bei der Ouvertüre, gestaltet sich die Uraufführung wider erwarten zum Bombenerfolg. Nur hinter der Bühne rastet Weill aus, als er sieht, daß Gattin Lotte Lenya, die Spelunken-Jenny, im Programmheft nicht auftaucht. Ebenso fehlt der „Barrikaden -Tauber“ Ernst Busch als Polizist Smith. Mittlerweile verwunderts auch nicht weiter, daß dem dichtenden Fledderer (oder umgekehrt) zwei Jahre später der fast wörtliche Klau einer VillonÜbersetzung von K.L. Ammer nachgewiesen wird. „Nur wer von Fremden lebt, lebt angenehm“, kommentiert Alfred Kerr die „Bearbeiterfirma Brecht-Weill“, so die Kabarettistentruppe „Vier Nachrichter“.

Und was beuten wir heute aus? Zum Beispiel eine Zeitschrift, die hiermit dem Interessierten nachdrücklich ans nostalgisch geneigte Herz gelegt sei. Im SchelllackhüllenFormat erscheint FOX auf 78, das „Magazin rund um die gute alte Tanzmusik“ - mit Sidesteps, denn als Tanzmusik war ja Brechtens „Misuk“ (dergleichen wird hier auch thematisiert) eigentlich nicht gedacht. Dreimal jährlich erscheint das Heft, und dies ist schon eine beachtliche Leistung, wie der Verfasser dieser Zeilen aus eigener Erfahrung behaupten darf. Soloprojekt eines hauptberuflichen Arztes, liebevoll & aufwendig produziert, gibts verständlicherweise keine Freiexemplare, aber so was Feines für nur Fünfundsiebzig Groschen pro Ausgabe ... Klaus Krüger, Böcklinstraße 14, 8000 München 19, freut sich gewiß über Leserzuwachs. Jede Menge wissender Autoren geben sich ein Stelldichein, Rainer E. Lotz zum Beispiel, der dem Herausgeber auch mit einigen Tips zum „jazzenden Symphoniker“ Ludwig Rüth unter die Arme griff.

So lasset uns Zusammenhänge knüpfen. Als mir Herr Rüth zum ersten Mal auffiel, wußte ich noch nicht, daß ers war. Eine gewisse Lewis Ruth Band nämlich begeisterte mich mit dem zynischen Liebeslied „Liebe war es nie“. Sowas gibts erfrischenderweise öfter mal um 1930 rum, interpretiert von eben dieser tollen Kapelle, Songs wie „Verlang von mir nicht, treu zu sein“ oder „Für'n Groschen Liebe“. Und eben bei der nun reichlich breitgetretenen Oper mit den Zehnpfennigstücken ist es die hochgestapelte „Lewis Ruth Band aus London“, die - unter Theo Mackebens Leitung - den Big Band-Pep in die Geschichte treibt. Die Leutchen sind auch gut beim Tonfilm beschäftigt, liefern die swingend nötigen Geräusche. („Für „Die Drei von der Tankstelle“ etwa dirigiert Werner Richard Heymann des Saxophonisten Mannen.) Mit Eintreten der „Neuen Ordnung“ muß das englische Pseudonym wieder abgelegt werden; bis 1937 spielt man unter Rüth weiter, und kurz vor seiner Emigration legt die Band nochmal so richtig verpönt heiß los. Weiteres, etwa das Ziel seiner Auswanderung, weiß ich nicht zu vermitteln, alldieweil jenes FOX auf 78-Heft, das die entscheidende Fortsetzung der L. Rüth-Story bringt, noch nicht erschienen ist. Nu machen sie mal, Herr Krüger. Die drei mir bekannten Leser dieser Kolumne warten!

Norbert Tefelski

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