Frei fliegende Bälle im Lokalderby

■ Keine Nummer Eins beim 1:1 zwischen Hertha BSC und Blau-Weiß im Olympiastadion / Dank Torwart Mager blieb's mager / Ein Bär und 32.050 Fans / Ebi (Diegen) und Rupi (Scholz) zigarrenmäßig vernebelt

Geteilte Freude ist doppelte Freude. Sowohl Bernd Hoss als auch Werner Fuchs waren's nach dem Lokalderby zufrieden. Ein gutes Spiel, so war zu hören, jeder war mal stark, mal schwach, beide Mannschaften haben ein Tor geschossen, auch nach etwas derberen Fouls gab es kameradschaftliches Kopfwuscheln oder zärtliche Poklapse, die Sonne schien, ach ja, so richtig Friede, Freude, Eierkuchen im Olympiastadion.

Bis auf die Einnahmen wurde überhaupt alles geteilt. Nicht nur die Punkte und der Optimismus, auch die Sympathie der Fans für Hertha und Blau-Weiß, der Sitzplatz in der U-Bahn und das Generve im Stau. Die Bonzen-Daddelhalle im Europacenter machte die Kassierer beider Vereine mit je 200.000 Märkern und 32.050 Zuschauern mit 90 Gummibällen glücklich und Knecht Ruprecht von der Hardthöhe seinen Saunafreund Ebi D. aus B. Jener gab nämlich mal was ab; leider nicht seinen Job und auch keine Raketen, aber immerhin stinkende, braune Rauchstangen (Zigarren), mit denen sie sich konzentriert pfaffend den Blick vernebelten.

Aber nicht nur Polit-Prominenz wollte die Entscheidung um die beste Fußballmannschaft in Berlin miterleben, auch das „gemeine Volk“ traute sich wieder in Massen ins Stadion. Wo sonst nur kleine Häufchen der zähesten Fans in gleichartige Würste bissen, war es diesmal pappvoll. Lange Schlangen vor den Kassen- und Klohäuschen bezeugten eindeutig: hier war was los.

Diese Massen sollten auch nicht enttäuscht werden, denn die gastgebenden Blau-Weißen hatten sich eine Menge einfallen lassen, um ein unterhaltsames Rahmenprogramm zu präsentieren. Vor dem Südtor wurden die Ankommenden gleich von einem lustigen Getto-Blaster im Pommes-Buden-Format von Radio 100'sex in Stimmung gebracht, der Kultur ins Volk trötete, und auf dem Spielfeld kurvte pfeifend und trommelnd die Black Watsch Combo herum, bis dann wirklich der Bär los war, denn dann kam ER, um den sich alles dreht, der Spielball, per Hubschraubär, direkt in den Mittelkreis geflogen, spendiert und sicher eskortiert von britischen Soldaten.

Daß der Ball auch alleine fliegen konnte, testeten wenige Minuten später erstmals die Blau-Weißen. Unerwartet schnell war Clarke bis zum Hertha-Strafraum gepest, spielte flugs zu Dinauer weiter und der kickte ganz locker zur Führung ein. Die Herthaner schockte das aber überhaupt nicht. Nicht nur wegen ihrer schicken rot-schwarz gestreiften AC Mailand -Garderobe sahen sie im Spiel besser aus, auch ihre das Mittelfeld völlig ignorierende Spielweise war abwechslungsreicher als das etwas behäbige, aber durchdachtere Spiel der Blau-Weißen. Nichts desto trotz und überhaupt und so bekamen die Herthaner nach 20 Minuten nach einer prima Schwalbe einen Freistoß, den Greiser mit dem Hinterkopf hinter die Torlinie kickte. Es ging auch ganz munter weiter, Hertha kopflos und stürmisch, oder, wie die Trainer bemerkten, „überfallartig“, Blau-Weiß dagegen eher gemütlich, aber effektiver. Ein bißchen Pep ins Spiel brachte auch Walter Junghans, der seine Abwehrspieler vor kniffelige Aufgaben stellte, als er einige Schüßchen und Flänkchen nicht so richtig doll festhalten konnte. Bessere Auftritte hatte Reinhard Mager auf der anderen Seite. Bewundernswert, daß er trotz seiner völlig verpennten Vorderleute die Nerven behielt und mit artistischen Einlagen weitere Tore der Hertha verhinderte.

Hertha hat einen Punkt im Kampf gegen den Abstieg und Blau -Weiß einen zum Verhindern des Aufstiegs gewonnen. Na, wenn das nichts ist.

Schmiernik

Blau-Weiß 90: Mager - Haller - Schlegel, Schmidt - Gartmann, Levy, Stark, Holzer, Clarke (63. Nietsche) - Schlumberger, Dinauer

Hertha BSC: Junghans - Greiser - Niebel, Jakobs - Rinke, Mischke, Gries, Patzke, (85. Brefort) Gowitzke - Kurtenbach, Kretschmer (73. Lünsmann)