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Sexuelle Gewalt im Apartheidstaat

■ Schwarze Frauen sind häufig Opfer von Vergewaltigungen / Nur zwei Frauenhäuser für weiße und schwarze Frauen / Ein weiteres Problem ist Abtreibung

Johannesburg hat ein „shelter“, ein Frauenhaus für schwarze und weiße Frauen. Dieses Selbsthilfeprojekt wird seit 1984 von der feministischen Gruppe „Powa“ organisiert. Powa steht für „People Opposing Women's Abuse“ (Menschen gegen Mißbrauch von Frauen). Das Haus ist eines von nur zwei Frauenhäusern in ganz Südafrika, die für alle Frauen offen sind. Daneben gibt es ein Haus der Heilsarmee ausschließlich für Weiße. Schon seit 1980 wird von Powa ein Frauennotruf getragen.

Im Apartheidstaat Südafrika wird Gewalt gegen Frauen weitgehend totgeschwiegen. Und die Frauen haben wenige Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Für viele schwarze Frauen scheitert der Kontakt mit dem Notruf beispielsweise schon am Telefon, das nicht da ist. Trotzdem ist der Anteil der schwarzen Frauen im Frauenhaus und bei den Anrufen hoch.

Viele der Frauen, die sich beim Notruf melden, sind Vergewaltigungsopfer. In Südafrika werden jedes Jahr 16.000 Vergewaltigungen angezeigt bei einer Bevölkerungszahl von etwa 30 Millionen. Die Dunkelziffer wird auf 300.000 geschätzt. Auch hier wird Apartheid deutlich: Während weiße Frauen mit einer guten medizinischen Betreuung rechnen können, haben schwarze Frauen oft schon Schwierigkeiten, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden. Ähnliches gilt für die Polizei: Weiße Frauen werden bei einer Vergewaltigungsanzeige halbwegs ernst genommen, demgegenüber ist der Weg zur Polizei für Schwarze eine zusätzliche Demütigung und Gefahr. Für die vielen Frauen, die aufgrund der Wohngebietsgesetze (Group Areas Act) illegal in den Städten leben, ist eine Anzeige von vornherein ausgeschlossen. Abtreibungen meistens illegal

Ein Problem, das offiziell überhaupt nicht existiert, sind die vielen Vergewaltigungen von schwarzen Frauen durch ihre Arbeitgeber. Dabei ist die Situation der Hausangestellten besonders übel: Sie arbeiten in völliger Abhängigkeit von einer Familie, die ihnen Lohn und Unterkunft bietet. Vergewaltigungen durch die Männer in der Familie sind häufig. Frauen, die sich wehren und versuchen, die Vergewaltigung anzuzeigen, sind ihren Job sofort los.

Für viele Frauen kann Powa keine konkrete Hilfe bieten, z.B. wenn eine Abtreibung dringend notwendig ist. Abtreibungen gibt es in Südafrika fast nur illegal, und es ist für alle Beteiligten äußerst riskant, die Adresse einer Ärztin oder eines Arztes unter der Hand weiterzugeben. Eine legale Abtreibung ist bis zur 20. Schwangerschaftswoche möglich, wenn eine medizinische (Gefahr für die Mutter), psychische oder kriminologische (Vergewaltigung) Indikation vorliegt. Allerdings wird die medizinische Indikation selten ausgestellt. Die kriminologische scheitert für die meisten schwarzen Frauen am berechtigten Mißtrauen gegenüber der Polizei, bei der die Vergewaltigung angezeigt werden muß. Damit ist die psychische Indikation die einzig dehnbare. Auch wenn es Psychiater gibt, die das Gesetz großzügig auslegen, haben die meisten schwarzen Frauen keine Chance: Im Baragwanath-Hospital in Soweto, dem größten Krankenhaus Südafrikas mit einer Zuständigkeit für rund zwei Millionen Schwarze, arbeitet ein einziger Psychiater.

Obwohl die Abtreibungsgesetzgebung an sich nicht rassistisch ist, sind die Konsequenzen für schwarze und weiße Frauen mit diesen Bedingungen sehr verschieden. 1987 wurden in Südafrika 3.779 legale Abtreibungen durchgeführt: 125 bei sogenannten* Inderinnen, 477 bei sogenannten Farbigen, 197 bei Afrikanerinnen (auf ca. zwölf Millionen schwarze Frauen) und 3.000 bei Weißen (auf drei Millionen weiße Frauen). Jedes Jahr fliegen außerdem etwa 1.000 weiße Frauen wegen einer Abtreibung nach London, ein Ausweg, der für die meisten schwarzen Frauen unerschwinglich ist.

Die Alternative heißt illegale Abtreibung, und die ist unhygienisch, teuer und in jeder Hinsicht gefährlich. Zur Zeit betreibt das südafrikanische „Gesundheits„-Ministerium eine Kampagne, um „Abtreibungsärzte“ ausfindig zu machen. Ihnen droht der Entzug der Zulassung und bis zu fünf Jahren Gefängnis. Auch die Frauen selbst riskieren diese Gefängnisstrafe und darüber hinaus eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Rand (umgerechnet ca. 3.800 Mark). Die Zahl der illegalen Abtreibungen wird in Südafrika auf 200.000 jährlich geschätzt. Kampf für bessere Gesetze

Seit den siebziger Jahren kämpfen verschiedene Gruppen, mit denen Powa teilweise zusammenarbeitet, für eine Änderung der restriktiven Abtreibungsgesetze. Die „Family Planning Association of South Africa“ strebt als ersten Schritt eine Legalisierung von Abtreibungen für Frauen unter 16 an, für Mütter von fünf oder mehr Kindern und wenn eine Sterilisation mißglückt ist. Auch die Initiativen des „Abortion Reform Committee“ und des „Azania Abortion Support Fund“ gehen in diese Richtung: eine Ausdehnung der psychischen sowie die Einführung einer sozialen Indikation und ein wirklich freier Zugang zu Verhütungsmitteln.

Im November 1988 fand in Soweto eine Konferenz zur Abtreibungsgesetzgebung statt. Organisiert wurde sie von der National Medical and Dental Association, einer schwarzen Medizinerorganisation. Dabei ging es u.a. um die Koordination der schon existenten Initiativen. Im Rahmen dieser Koordination organisiert Powa Seminare für Rechtsberatungszentren, Gewerkschaften, Frauengruppen und MedizinerInnen über Gewalt gegen Frauen und zu anderen frauenspezifischen Themen.

Für alle Beteiligten ist klar, daß die Nahziele nur kleine Schritte sind: Wirkliche Verbesserungen der Abtreibungsgesetze und der Situation südafrikanischer Frauen im weiteren Sinn können nur über eine radikale Veränderung der politischen und sozialen Verhältnisse erreicht werden.

Karin Elbers

* „Sogenannte“, weil sich die Trennung aus dem Rassenkonzept des südafrikanischen Staates ergibt. Oppositionelle SüdafrikanerInnen verwenden die Bezeichnung Schwarz und Weiß als politische Begriffe, wobei alle, die aufgrund ihrer Hautfarbe vom System diskriminiert werden, als Schwarze gelten.

Amesty for women, Berlin, feiert am 14.April ihr fünfjähriges Jubiläum. Das südafrikanische Selbsthilfeprojekt Powa - das mit einer Ausstellung vorgestellt wird - erhält die Überschüsse des Festes. 14.April, ab 19 Uhr, „Wasserturm“, Kopischstraße 7, 1000 Berlin 61

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