: Schlamperei vor der Ölkatastrophe
■ US-Studie prognostizierte schon 1986 eine Wahrscheinlichkeit von 20 Schiffsunfällen innerhalb von 25 Jahren vor Alaska
Valdez (ap) - Der Versuch, die Ölkatastrophe von Alaska allein dem Kapitän der „Exon Valdez“ anzulasten, wird von Tag zu Tag fragwürdiger. Bereits aus dem Jahr 1986 datiert eine Studie des technischen Leiters und Umweltbeauftragten des Alaska-Pipeline-Koordinationsbüros, Jim Whaley, über Schiffsunglücke im Golf von Alaska und ihre Folgen. Computertests ergaben damals eine Wahrscheinlichkeit von 20 Unfällen innerhalb von 25 Jahren. Ziel dieser Versuche sei es gewesen, nach einem Unglück eine Katastrophe zu verhindern. Dabei sei ihnen jedoch größter Widerstand entgegengebracht worden, sagte Whaley. So wurde die Studie von der Ölindustrie als falsch und die Reaktion der Behörden als übertrieben bezeichnet.
Die US-Bundesbehörden hatten als Folge der Studie zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen vorgeschlagen. So sollten Schiffe mit einer Eskorte am gefährlichen Bligh-Riff vorbeigeführt und nur noch Tanker mit einer doppelten Außenhaut eingesetzt werden. Die Küstenwache und die Betreiberin der Alaska-Pipeline, Alyeska, hatten diese Vorschläge jedoch abgelehnt. Erst eine Woche nach der Ölkatastrophe setzte Alyeska, ein Konsortium aus acht Ölmultis, Begleitschiffe ein. „All die schönen Sicherheitskontrollen, die Staat und Umweltschützer einführen wollten, gingen auf Druck der Ölindustrie verloren“, meint einer der an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler.
1978 verringerte die Küstenwache die Zahl der Lotsen, die auslaufende Schiffe aus dem Hafen heraus führen, und schränkte die Radarüberwachung ein. Von 1984 bis heute wurde die Anzahl der in der Überwachung tätigen Mitarbeiter um fast die Hälfte reduziert. Alyeska, die nach einem Tankerunglück gesetzlich verpflichtet ist, als erste einzugreifen, löste bis 1982 ihre Fachgruppe für die Beseitigung von Ölteppichen auf. Die Aufgabe könne von anderen Mitarbeitern der Firma mit übernommen werden, hieß es. Der ehemalige Leiter der Truppe, David Decker, meint: „Sie waren davon besessen, Geld einzusparen.“ Die Ausrüstung zur Bekämpfung einer Ölpest wurde auf ein Minimum reduziert.
Das Ölunternehmen Exxon gab nach dem Unglück bekannt, um den schwarzen Schlamm zu beseitigen, seien knapp zwei Millionen Liter Chemikalien erforderlich. Zur Zeit des Unfalls verfügte die Firma nicht einmal über ein Prozent davon, sechs Tage später erst über ein Fünftel dieser Menge.
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