: Hasard-Spiel
■ Die Swapo zieht sich aus Namibia zurück
Mit zehn Tagen Verspätung soll nun doch noch in Namibia der Unabhängigkeitsprozeß beginnen. Die Regierungsvertreter Angolas, Kubas und Südafrikas haben mit sowjetischer und US -amerikanischer Hilfe ein Abkommen beschlossen, das den Abzug der namibischen Befreiungsbewegung aus dem Norden Namibias in Lager im Süden des benachbarten Angolas vorsieht. Bereits am Samstag hatte die Swapo-Führung ihren Abzug innerhalb von drei Tagen angeboten. Dieses indirekte Schuldeingeständnis der Swapo hat dem Apartheidregime, dessen Truppen die ehemalige deutsche Kolonie seit Jahrzehnten besetzt halten und in der letzten Woche regelrechte Menschenjagden veranstalteten, einen unerwarteten diplomatischen Erfolg beschert: Nicht die Rassisten haben den Unabhängigkeitsprozeß sabotiert, wie alle Welt erwartete, sondern die Swapo.
Mehr als 300 Tote war es Swapo-Chef Sam Nujomo wert, den Friedenswillen des Apartheidregimes auszutesten. Wollte er mit der „friedlichen“ Invasion Namibias im Windschatten der UNO die Schmach rächen, daß es seiner Swapo während 23 Jahren bewaffneten Kampfs nie gelungen ist, dem verhaßten Feind im eigenen Land Paroli bieten zu können? Oder sollten die Swapo-Truppen unter Aufsicht der UNO den Einfluß Südafrikas auf den Unabhängigkeitsprozeß begrenzen? Egal. Die Unabhängigkeit selbst wäre dank des Hasard-Spiels um ein Haar auf der Strecke geblieben.
Die negativen Schlagzeilen in der letzten Woche haben nun die Führungsriege der Swapo ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gezerrt. Zwar ist die Swapo seit 1976 von der UNO als einzige Vertreterin des namibischen Volkes anerkannt, von den Verhandlungen über die Zukunft ihres Landes war sie aber ausgeschlossen. Unter dem Druck des Apartheidregimes war zwangsläufig treue Gefolgschaft mehr gefragt als Kritik an den rigiden Entscheidungsstrukturen des exilierten Flügels. Nach dem Desaster im Norden scheint das anders zu werden: Das Vertrauen der Namibier in ihre Befreiungsbewegung ist zumindest irritiert.
Michael Fischer
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