piwik no script img

Senatsantwort ist „eine Frechheit“

■ Grüne Abgeordnete Helga Trüpel wollte wissen, nach welchen Kriterien in Bremen humangenetische Forschung kontrolliert wird / Uni-Kommission will umstrittenen Tübinger Genetiker für Lehrstuhl einladen

Verdient die Gentechnologie eine öffentliche Diskussion? Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel findet das und hat deshalb eine „Große Anfrage“ an den Senat gestellt, die das Thema auf die Tagesordnung der Bürgerschaft bringt. Lakonisch, kurz und förmlich ist die anderthalbseitige Antwort des Senats - „eine Frechheit“, findet die Grüne. „Der Senat lehnt jede eugenische Ausrichtung auf Hu

mangenetik ab“, heißt es in der Antwort. „Humangenetische Forschungen in Bremen“ würden „im Rahmen der zu erlassenden gesetzlichen Regelungen“ kontrolliert. Von wem? Vom Senat. An der Universität sieht der Senat „keine Notwendigkeit“, die dort laufenden Forschungsvorhaben zu beschränken. Die Grüne wollte aber wissen, nach welchen Kriterien der Senat gentechnische und humangenetische Forschung

bewertet. Antwort? Keine.

Die Grünen haben, zuletzt im Zusammenhang der Frauenwoche, über die Auswirkungen zunehmender Fruchtwasser -Untersuchungen bei schwangeren Frauen und zunehmender „humangenetischer Beratung“ debattiert. Bei dieser angeblichen „Beratung“ habe frau „die Selektion bereits im Kopf“, kritisierte gestern auf der Pressekonferenz der Grünen Eva Schindele vom „Bre

mer Genforum“. Praktisch alle Frauen, die in der 20. Woche von wie geringen Risiken auch erführen, würden einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen und „das Kind zu Tode gebären“. Kürzlich hat der Senat als Erfolgsmeldung mitgeteilt, daß durch Blutuntersuchungen in Zusammenhang mit persönlichen Daten per Computer neue Prognose-Verfahren zur Verfügung stehen. Eva Schindele sieht die Gefahr, daß, wenn solche Untersuchungen zur Selbstverständlichkeit werden, der gesellschaftliche Druck, nur noch „perfekte“ Kinder zu gebären, zunimmt. Auch psychologische Folgen drohten durch die pränatalen Diagnose-Verfahren: Anstatt die Schwangerschaft „anzunehmen“ - „Kinder sind nicht planbar“ entwickelten die Frauen in den ersten 20 Monaten Ängste und stellten sich nicht auf die Tatsache ihrer Schwangerschaft ein. Um solchen Entwicklungen durch eine angemessene Beratung entgegenzutreten, soll ein „Ort der Information“ für Frauen geschaffen werden, der unabhängig von den Interessen der humangenetischen Beratung und auch unabhängig von denen sein soll, die die lukrativen Fruchtwasser -Untersuchungen durchführen, forderte Eva Schindele.

Swanje Köbsell vom „Genforum“, selbst Rollstuhlfahrerin, warnte vor der „Abwertung behinderten Lebens“ und forderte anstelle der pränatalen Diagnostik die „Verbesserung der Lebenssituation behinderter Men

schen“.

Die letzte Frage der Grünen hatte sich auf die Universität und die Möglichkeit der Förderung „sanfter Biotechnologie“ bezogen, wo ein Forschungsschwerpunkt „Biotechnologie“ eingerichtet werden soll. „Sollte die Forschungsrichtung sanfte Biotechnologie in dem Schwerpunkt berücksichtigt sein, wird der Senat die Umsetzung dieser Entwicklungsplanungen und die Fördermöglichkeiten prüfen“, so lautet die umfassende Senatsantwort an die Parlamentarierin Trüpel. In Wirklichkeit ist die Stelle „Biotechnologie“ ausdrücklich für „molekulare Gentechnik“ ausgeschrieben. Die Berufungskommission hat zudem, wie die taz erfuhr, vor wenigen Tagen ihre erste Auswahl der Bewerbungen vorgenommen: Unter den acht, die angehört werden sollen, ist der Tübinger Genetiker Prof. Forkmann einer der Favoriten. Er hat die enzymatischen Vorarbeiten für das „Betunien„-Projekt des Kölner Max-Planck-Instituts geleistet, in dem unter der Verantwortung von Prof. Saedler 30.000 gentechnisch manipulierte Betunien gepflanzt werden sollen - dies wäre, wenn das Bundesgesundheitsamt sein Plazet gibt, der erste große gentechnische „Freisetzungsversuch“ in der Bundesrepublik. Forkmann hat zusammen mit Saedler auch über seine Arbeit publiziert.

Daß an der Uni schon bald Fakten geschaffen werden, hat der Senat der grünen Volksvertreterin nicht mitgeteilt.

K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen