Eine Art Zivilisierung der Konflikte

■ Alternative und Sozialdemokraten diskutierten am Mittwoch mit „Sozialdemokraten in der Polizei“ / GdP hatte die Teilnahme abgesagt / Weitgehende Einigkeit / Differenzen bei Kennzeichnng der Polizei und Datensammlung

Historisch war der Raum, in dem sich AL-Vertreterinnen und SPD-Männer mit sozialdemokratischen Polizisten zur Diskussion trafen. Renate Künast, AL-Abgeordnete, machte die Anwesenden darauf aufmerksam, daß sie sich just in dem Raum der IG-Metall-Bildungsstätte am Pichelssee befänden, in dem am 6.März um 3.00 Uhr morgens die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen unter Dach und Fach gebracht waren. Doch noch längst nicht alle Polizisten haben akzeptiert, daß jetzt auch die AL an der Regierung ist. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) pfiff ihre „Junge Gruppe“ von der Direktion 2, die ursprünglich die Veranstaltung mit den Sozialdemokraten in der Polizei (SIP) gemeinsam geplant hatte, kurzerhand zurück.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Burkhard von Walsleben, schrieb an den Vorsitzenden der Sozialdemokraten in der Polizei, Jörg Kramer, daß es so nicht gehe. Es handele sich um „Verquickungen gewerkschaftlicher und parteipolitischer Institutionen“. Außerdem gefiel ihm im Titel der Veranstaltung „Alternative sozialistische Sicherheitspolitik - Gefahr oder Chance“ das Wort „sozialistische“ nicht. Die GdP hat seit 1984 einen Unvereinbarkeitsbeschluß bezüglich der AL, lädt sie nicht zu Veranstaltunen und redet nicht mit der Regierungspartei. Daß ein ähnlicher Beschluß in Richtung Republikaner gefällt werde, hielten Polizeibeamte gestern für unwahrscheinlich. Da nicht einmal die GdP gekommen war, blieb man unter Gleichgesinnten und die PodiumsteilnehmerInnen stießen auf ein eher untypisches, weil wohlwollendes Polizistenpublikum.

Die KoalitionsvertreterInnen auf dem Podium - für die AL die beiden Abgeordneten Lena Schraut und Renate Künast, für die SPD der Staatssekretär der Innenverwaltung Detlef Borrmann und der Vorsitzende des Innenausschusses, Helmut Hildebrandt - waren sich in vielen Fragen weitgehend einig. Wie auch in den Koalitionsvereinbarungen schriftlich festgehalten, setzten sie sich ein für eine Enquete -Kommission zur Polizeireform und erklärten, daß die Polizei viel zu oft für Aufgaben in Anspruch genommen wird, für die sie gar nicht zuständig sein sollte. Bei der Polizei landeten alle die Probleme, mit denen andere Behörden nicht fertig geworden sind. Hildebrandt nannte als Beispiel „Alkoholiker und Penner“. Deeskalieren wolle man, den Dialog miteinander pflegen, der „Mangel an zivilen Vorbildern“ wurde beklagt oder kritisiert, daß „durch die Massierung von im Stadtbild unüblichen Kleidungsstücken“ (Borrmann) Unmut erregt werde.

Ein Polizeibeamter aus dem Publikum wollte es gerne etwas konkreter wissen. Die Demonstration am Samstag z.B. sei doch „voll in die Hose gegangen“. Wieder einmal habe man alles der Polizei in die Schuhe geschoben. „Wenn ich z.B. die Äußerungen von Herrn Ströbele höre...“. Die alternativen Abgeordneten widersprachen. Lena Schraut fand den Einsatz gar nicht so schlecht, wenn auch noch verbesserungswürdig. Beispielsweise, so fand sie, könne die Polizei gelassener auf „vermümmelte“ Demonstranten reagieren. Das sei doch mittlerweile zu einem Ritual geworden, auf das der Staat nicht unbedingt eingehen müsse. Auch die anwesenden Sozialdemokraten fanden, daß der Einsatz doch eigentlich sehr gut gelaufen sei. Jörg Kramer überlegte, daß es in einer ähnlichen Situation „vor Monaten wahrscheinlich eine Straßenschlacht gegeben hätte“.

Volker Pfarr von der SIP führte auch den Umgang mit der Besetzung von Walter Mompers Büro am Vortag als positives Beispiel für Konfliktbewältigung an. Kollegen hätten das Verhalten des Regierenden als eine Art Gesichtsverlust eingestuft, aber „toll, wie der das ausgestanden hat“.

Der SPD-Abgeordnete Klaus Dürr, selber von Haus aus Polizist, bemerkte zu der Diskussion, daß sie sich eher um Methoden drehe als um die Entwicklung einer alternativ -sozialistischen Sicherheitspolitik. Die könne es vielleicht auch gar nicht geben, überlegte Renate Künast, vielleicht eher eine Art „Zivilisierung der Konflikte“. Zu den Konflikten unter den Koalitionspartnern, beispielsweise zur Kennzeichnung der Polizei, die die SPD in die ferne Zukunft verschoben hat, über die präventive Verbrechensbekämpfung, die die AL im Gegensatz zur SPD nicht haben will, zu all der Kritik, der die Rot-Grünen ausgesetzt sind, meinte Renate Künast am Schluß unter Beifall: „Bei jeder Koalition kommt das dicke Ende am Schluß, bei uns kommt es eben am Anfang.“

RiHe