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Wider die Brüll-Pädagogik

■ KiTa-ErzieherInnen fordern vom Senat nicht nur Quantität, sondern bessere Qualität / Gruppen sollen kleiner werden

Keinen leichten Stand hatte Jugendsenatorin Anne Klein (AL) am Mittwoch abend bei einer Diskussionsveranstaltung der Gewerkschaften GEW und ÖTV über die Arbeitsbedingungen in den Berliner KiTas.

Über 800 ErzieherInnen drängten sich in einem völlig überfüllten Hörsaal der TU, um die konkrete Verhandlungszusage des Senats über einen Tarifvertrag, der künftig ihre Arbeitsbedingungen verbessern soll, zu erhalten.

Die zweite Vorsitzende der GEW, Ilse Schaad, kritisierte, daß von den Politikern bisher ausschließlich der Platzausbau in den KiTas berücksichtigt wurde: „Die neue Politik des Senats muß neben der Quantität endlich auch die Qualität der Kindertagesstätten im Auge haben.“

Den ErzieherInnen geht es vor allem um die Anerkennung der KiTas als Bildungseinrichtungen und um kleinere Kindergruppen mit jeweils zwei BetreuerInnen. Nur durch diesen qualitativen Ausbau könnten aus den „Aufbewahrungsanstalten“ KiTas mit pädagogischem Anspruch werden. „Bei den großen Gruppen und ohne genug Kollegen ist heutzutage doch Brüllen angesagt und nicht Pädagogik“, so ein Erzieher aus dem Wedding. Immer mehr Kollegen werden wegen der geringen Bezahlung und der hohen Arbeitsbelastung aus dem Beruf ausscheiden.

Zu dem vorliegenden Entwurf für einen Tarifvertrag hält man sich im Innensenat jedoch aus Kostengründen bislang bedeckt, und auch Anne Klein mochte gestern nichts Konkretes versprechen. Zwar erklärte sie sich mit allen Forderungen der ErzieherInnen solidarisch, wollte sich aber mit dem Hinweis auf die Senatorenkollegen auf keinen Termin für Verhandlungen festlegen lassen: „Wir können den Finanz- und Innensenator nicht an den Verhandlungstisch zwingen.“

Auch Heidi Bischoff-Pflanz (AL) beschränkte sich auf Solidaritätsadressen, kündigte aber verstärkten Druck auf die zögernde SPD an. Die ErzieherInnen ihrerseits reagierten verärgert auf die Zurückhaltung der Politkerinnen, die sie zu Beginn noch mit tosendem Beifall begrüßt hatten. Dabei stieß auf besondere Erbitterung, daß der Finanz- und Innensenator in der Diskussion nicht vertreten waren und es offentlich auch keine Absprachen mit ihnen gegeben hatte.

Ihre völlige Überforderung brachte eine Erzieherin aus Kreuzberg zum Ausdruck. Fast weinend erklärte sie: „Ich fühle mich nur noch wie eine Organisationsmaschine ohne Pause. Ich kann so einfach nicht weiterarbeiten.“

Christine Dankbar

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