piwik no script img

GÖRLITZER BAHNHOF, 5 A.M.

(Wettbewerbsbeitrag zur 100-Jahrfeier der BVG)  ■ 

Mit Dank an Wolfgang Dietrich

Ein Segen, daß nach diesen Nächten

wo stets ein Bier das nächste gab

wir nicht in diesen kahlen Schächten

warten wie in einem Grab

die Sonne unter der wir zechten

beleuchtete den neuen Tag

und Hochbahngleise glänzten naß

im Morgenlicht wie grünes Glas.

Rastlos ließ ich meine Blicke schweifen

auf Lederschwarz und Rockgeblüm

und Formen die als weiblich zu begreifen

mich umtrieb voller Ungestüm

fühlte weit drunten unterm steifen

Leder frische Geilheit blühn

war Stadtwolf dawodrin es heult

und schrittwärts es sich regt und beult

Der Bahnsteig war wie Käfigstangen

und wie das Zootier knurrte ich, war räudi

lief auf und ab, war fest gefangen

im Wahn, der feucht und haarig häutig

mich nicht zur Ruhe ließ gelangen

So lief ich ruhelos, war läufig

erträumt mir schweifenste Genüsse

wie Haar und Schweiß und feuchte Küsse

Im Zug dann ließ ich Blicke Blicke sein

zu dicht die Menge, das Licht zu grell

da sah ich - Sie! Die Nase klein

Rothaar Weißhaut die Augen hell

und schon holt mich der Wahnsinn ein

so warf ich Blicke schräg und schnell

versuchte es so anzufangen

in ihre Blicke zu gelangen

Bis diese Fahrt ein Ende fand

allein bei mir im Blick zu zweit

da packt mich eine Riesenhand

ein Bremsenkreisch und ich flog weit

und hart schlug es mich vor die Wand

ein Dröhnen noch dann Dunkelheit

und alles fiel dann kreuz und quer

und schreiend übernander her

Da regte es sich neben mir

da war die Hand die näherkam

sich anschlich listig mit Gespür

doch vordrang schnell und unduldsam

mit Fingern da und dort und hier

wie sie mich in die Zange nahm

war es zu spät, gab's ein Entrinnen

die Hand hier zeigt, wo Hände erst beginne

Zwei Stunden lagen wir an jenem Ort

von denen ich jetzt - lächelnd - schweige

nur soviel noch: es ging so fort

und ihren Krug leer ich zu Neige

mit Seufzen, Küssen da und dort

Und weil ich Dankbarkeit stets zeige

tu ich nun was ich mir stets sparte:

Jetzt kauf ich eine Monatskarte!

Heiko Wimmen

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen