: „Kriminalisierung hat Methode“
Hans-Joachim Ehrig, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, nennt den Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung „ungeheuerlich“ ■ I N T E R V I E W
taz: Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Helmrich (CDU), hat erklärt, ohne die Anwälte käme es bei den RAF-Gefangenen nicht zu „generalstabsmäßigem, einheitlichem Handeln“. In ein ähnliches Horn stößt auch der CSU-Generalsekretär Huber. Nach seinen Worten müsse man jetzt prüfen, „ob sich die Anwälte und Verteidiger der hungerstreikenden Häftlinge nicht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht haben“.
Ehrig: Der Hungerstreik ist legal. In jeder Kulturnation ist das Recht, einen Hungerstreik zu führen, anerkannt. Einzig in der Bundesrepublik wird seitens des Generalbundesanwalts immer wieder versucht, den Hungerstreik als kriminell darzustellen. Die Unterstützung einer legalen Aktion kann niemals strafbar sein. Der Vorwurf ist schlicht ungeheuerlich.
Es ist ja nicht das erste Mal, daß versucht wird, die Anwälte der RAF-Gefangenen in das terroristische Umfeld zu ziehen.
Nein, das hat Methode. Solange es Hungerstreiks gibt, solange wird versucht, die Anwälte zu kriminalisieren. Es gibt Beispiele, daß die Zusendung von Verteidigerpost als Unterstützung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung verfolgt wird, obwohl die Kontrollrichter diese Post nicht beanstandet hatten. Es gehört zur Methode der Kriminalisierung, die Anwälte immer wieder in dieses Zwielicht zu bringen. Wir weisen dieses entschieden zurück.
Jetzt hat auch der als liberal geltende Präsident des Braunschweiger Oberlandesgerichts, Rudolf Wassermann, erklärt, die Anwälte würden „eine bedenkliche Rolle“ spielen. Bei ihnen sei ein „gravierender Mangel an Verantwortungsbewußtsein offensichtlich, denn sonst würden sie nicht die Stimmung anheizen, sondern ihren Mandanten raten, die Aktion aufzugeben“. Kann das die Aufgabe von Anwälten sein?
Jeder Anwalt muß natürlich verantwortlich die Interessen seines Mandanten wahrnehmen. Das muß er im Gespräch mit seinem Mandanten eigenverantwortlich klären. Es kann aber niemals die Aufgabe eines Anwalts sein, den Willen seines Mandanten zu brechen. Wenn er die einseitige Interessenvertretung des Gefangenen nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, muß er das Mandat niederlegen. Im übrigen möchte ich noch zu der Hetze der zitierten CDU -Politiker anmerken, wenn eine Vermittlung der Kommunikation durch Anwälte strafbar wäre, so würden sich in der letzten Woche auch die Justizminister und Anstaltsleiter nach dieser verqueren Logik der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht haben. Sie haben den Gefangenen gemeinsame Telefonate erlaubt.
Muß jetzt damit gerechnet werden, daß sich die Auseinandersetzung um die Forderungen des Hungerstreiks auf die Rolle der Anwälte verlagert?
Ich hoffe nicht, daß hier ein Nebenkriegsschauplatz die notwendige Diskussion um die Veränderung der Haftbedingungen überlagert. Gerade die CDU-regierten Länder sollten sich darüber klar sein, daß ein Hochschnellen der Spirale der Gewalt und Gegengewalt in diesem Land immer der äußersten Rechten gedient hat, daß eine Verhärtung der Fronten in diesem Fall politisch nicht der CDU, sondern den Republikaner zugute käme. Ganz abgesehen davon, daß die Forderungen der Gefangenen nicht nur verständlich, sondern berechtigt sind und sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen.
Interview: Wolfgang Gast
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