: Wider die historischen Fakten-betr.: "Dabei kommen belanglose Gedenkstätten raus", taz vom 13.4.89, und "'Perspektive Berlin'würdigt Holocaust-Opfer herab!", taz vom 15.4.89
Betr.: „Dabei kommen belanglose Gedenkstätten raus“, taz vom 13.4.89, und „'Perspektive Berlin‘ würdigt Holocaust-Opfer herab!“, taz vom 15.4.89
Ich kann und will es nicht fassen, daß hier in Berlin ein Mahnmal für den Völkermord geplant wird, auf dem der Völkermord der Sinti und Roma geleugnet werden soll. Es ist doch eine glatte Lüge von Herrn Jakob Schulze-Rohr, daß die Sinti und Roma zu Anfang nicht diskriminiert wurden. Sie wurden in Lager gesteckt, eines sogar in Berlin-Marzahn; zu den Olympischen Spielen 1936 sollte die Stadt „zigeunerfrei“ sein, und sie mußten unter den unwürdigsten Bedingungen, da ja einige als „reinrassig“ galten, rassenbiologische Untersuchungen über sich ergehen lassen. Die Begründungen des Herrn Schulze-Rohr für die Leugnung auf dem Mahnmal, sind der glatte Hohn.
Es ist doch infam, diese Leugnung damit zu entschuldigen, daß sie ja angeblich „ursprünglich nicht als Opfer vorgesehen waren“, also der Massenmord „ja nicht Programm der Nazis war“, und weil dann ja auch gleich „der SS-Mann, der übergelaufen ist“, mit auf dem Mahnmal stehen müßte.
Ich finde es im Gegensatz zu Herrn Schulze-Rohr nur allzu verständlich, wie sich hier der Zentralrat deutscher Sinti und Roma, gegen die angeblich nicht gewollte Ausgrenzung zu Recht wehrt. Steht die Vorsitzende Lea Rosh eigentlich auch hinter den Aussagen ihres Geschäftsführers? Ich finde es zwar sehr bewundernswert von ihr, sich in einem Film für die Sinti und Roma einzusetzen, jedoch wäre es mir vollkommen unverständlich, wie sie ein Mahnmal akzeptieren könnte, das für den Völkermord im Dritten Reich stehen soll, wobei der Völkermord an Sinti und Roma nicht erwähnt werden soll.
In diesem Sinne kann ich nur hoffen, daß sich die Sache nicht „von selbst erledigt“, und der Völkermord an 500.000 Sinti und Roma und an sechs Millionen Juden gemeinsam auf dem Mahnmal an diese Taten erinnert.
Anke Jacobs, Berlin
Zunächst war mir das Interview mit J.Schulze-Rohr nur unbehaglich. Erst der detaillierte Nachweis von R.Rose, wie der Völkermord an den Sinti und Roma geplant und durchgeführt wurde, hat mir die Fragwürdigkeit der Position von Schulze-Rohr deutlich werden lassen.
Daß von Schulze-Rohr wider die historischen Taten Exklusivität des Holocaust an Juden behauptet wird, mag ja noch angehen, obwohl es schon stutzig macht, wenn als Kriterium für Völkermord der Zeitpunkt der Planung gelten soll. Ich denke, Schulze-Rohr ist sich der Schwäche dieser Argumentation auch bewußt: selbst noch mehr Wiederholungen seiner Behauptung können die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß die Sinti und Roma systematisch vernichtet wurden.
Wir Nachkommen der Täter sollen dieses Mahnmal errichten zur Erinnerung an die Opfer und ihre Leiden, aber auch als Zeichen der Trauer über die von unseren Eltern begangenen oder zumindest geduldeten Verbrechen. (...) Nach dem Interview mit Schulze-Rohr bin ich sicher, daß mit diesem Mahnmal auch der Sinti und Roma als Opfer des Völkermords gedacht werden muß. Schlimmer als Schulze-Rohr kann mensch sich in einer solchen Diskussion nicht disqualifizieren.
Elisabeth Morack, Berlin
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