: Herzzerreißend, frivol - eben Hindemith
■ StudentInnen den Hochschule für Künste proben seit Monaten für die „Hindemith-Wochen“ und gegen die Schwierigkeit, die „lasterhafteste, frivolste und dabei gegenständlichste Musik“ zu hören
Wie soll man den Bremern Paul Hindemith verkaufen? Seit Wochen spielen die StudentInnen der Hochschule für Künste ein Konzert nach dem anderen, die Zuschauer-Zahlen bleiben mager. „Ist der Anfang des Satzes nicht wirklich herzzerreißend? “, fragte der Klarinettist gestern vormittag bei der letzten Probe für das Quartett, das heute abend in der Stadtwaage gespielt werden soll. Es ist herzzerreißend, und
dann plötzlich bricht das herein, was das konservative Konzertpublikum als „Krach“ empfindet. „Es ist die lasterhafteste, frivolste und dabei gegenständlichste Musik, die man sich denken kann ...“, hat 1923 ein Kritiker geschrieben. Seit Monaten üben die StudentInnen der Hochschule beinahe das gesamte Repertoire Hindemiths, initiiert wurden die „Hindemith -Wochen“ in dessen 25. Todesjahr von dem Klavier
Professor der HdK, Kurt Seibert.
Aber Bremen ist ein schlechtes Klima für Musik, beklagt sich der. An den Schulen gilt der Unterricht in Musik nicht viel, oftmals fällt das Fach ganz aus, Talente werden wenig gefördert, es wird wenig Anreiz geboten. „Daß mußt Du Dir mal vorstellen, daß der Wedemeier in ein Konzert geht. Wenn da nicht 'Brüder zur Sonne zur Freiheit‘ gesungen wird, dann geht der da nicht hin“, meint Seibert bitter. In SPD-Kreisen werde die Musik nicht einmal als Repräsenations-Werk gefördert, „die haben keine kulturelle
Identität“. Als Ersatz werden die „Festivalitis“ gefördert, die die „bodenständige Musik“ zu verdrängen drohen: „die fallen auf Goldmacher rein“.
Wie könnte Hindemith ein Renner in den Programmen westdeutscher Konzertsäle werden? Dies interessierte bei einer Hindemith-Gesprächsrunde den Hannoveraner Konzertveranstalter Hans-Ulich Schmidt. Er brachte eine knallharte Statistik aus westdeutschen Konzertsälen mit, die Hindemith weit abgeschlagen zeigt, der Bremer Dirigent Klaus Bernbacher praktiziert
in Bremen eine Ausnahme. Ein Student der HdK wandte ein, die Lust an Hindemith komme erst beim Spielen, die musikalischen Emotionen seien versteckter, das Hören also schwieriger.
Um so wichtiger, wenn die Musik-Studenten ihre Freude an Hindemith weitergeben!
K.W.
21.4., 20 Uhr Stadtwaage: Kammermusik
22.4., 17 Uhr, St. Remberti: Wir bauen eine Stadt. Spiel für Kinder
23.4., 20 Uhr, Kunsthalle: Bratschensonaten von Hindemith und Genzmer weitere Termin
siehe Programm der Woch
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