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HEINO KÜSST MOZART

■ Das „Bosart-Trio“ beim „Ohrenschmaus„-Festival

Irgendwann, als die beiden anderen sich gerade begeistert die „packendsten Stellen“ aus der Opernliteratur vortragen, beginnt der Mann am Klavier, sich demonstrativ die Fingernägel zu feilen und verkündet: „Ich find's total langweilig hier!“

Weil Kabarettisten ja nicht nur alles, sondern auch sich selbst aufs Korn nehmen, hat das Freiburger „Bosart-Trio“ sich seinen nörgelnden Buhmann gleich mit auf die Bühne gesetzt, der sich genau an den richtigen Stellen einmischt, um eine fade Langatmigkeit im Keim zu ersticken. Er heißt Reinhard Buhrow und betastet ansonsten treffsicher seinen Flügel. Er lebt als Pianist und Dozent in Freiburg, wo auch Wolfgang Schäfer lehrt, dem hier die Rolle eines penibel servierenden Witz-Gourmets gut steht. Hans C. Hachmann, leitender Musikredakteur beim Süddeutschen Rundfunk, spielt meist den narrenfreien Nervtöter, der sich das letzte Wort nicht nehmen läßt. Die drei treten schon länger zusammen auf. Ihr Programm in der Studiobühne heißt „Ein Schluck aus dem Opernglas“ und durchquert angriffslustig die halbe Opernliteratur.

Daß der Weg zum Opernstar „lang und schwer“ ist, veranlaßt das Trio, das Gesangsstudium unter die Lupe zu nehmen. Da heißt es dann in artigen Tonleitern „Nöni, nöni, nöni“ oder auch „Niveau, niveau, niveau„; derart geschult bestreitet der Nachwuchs die ersten Mucken und muß schließlich zum Vorsingen antreten - eine ohnehin kabarett-verdächtige Angelegenheit. Paradox, so hören wir, ist es, wenn „ein Sopran baß erstaunt ist, daß der Tenor alt wird“, und unter dem erwähnten Stichwort der „packendsten Stellen“ wird aus der „Entführung aus dem Serail“ in dramatischem Pathos die Stelle ignoriert: „Das Fenster geht auf!“ Manchmal droht der komische Steilflug in bloße Wiederholung abzustürzen - wie Wolfgang Schäfer, der dies buchstäblich vollzieht, als sein Stuhlbein dem Bühnenabgrund zu nahe kommt - aber mit einigem Hakenschlagen lassen sie das schnell in Vergessenheit geraten. Plötzlich geht es um die Fehlbesetzungen: Heinos Stimmschmelz wird genial mit Mozarts „Zauberflöte“ vermählt, was eine herzzerreißend dümpelhafte Variante des deutschen Liedguts ergibt: „Ein Männchen und ein Weibchen“ texten sie, die Hauptwörter dreimal wiederholt, mit todsicheren Eins -Drei-Akzenten und einem stolzen Tschingderassabum am Ende. Don Giovannis „Champagner-Arie“ wird zum Champagner-Polka eines bayerischen Jodelfürsten, während „Figaros Hochzeit“ sich als hervorragende Begleitmusik zum Zähneputzen entpuppt: „So kann man die ganze Oper durchbürsten.“ Wagners „Ring“ dient als Rappelkiste für sämtliche zerfetzbaren musikalischen Metiers. Als Hachmann eine Einführung in den „Ring“ für die „jungen Zuhörer“ bringt, setzt er sich die dunkle Heino-Brille auf und berichtet cool von „Wotans turbogeilem Geklotze“. Die Version für Erwachsene kriecht dem musikwissenschaftlichen Hochtraberwettbewerb aus dem Maul: „Der Dreiklang durchzieht das Wagnersche Ring-Schaffen wie ein seidener Faden“, gähnt Hachmann.

Nach der Pause wird das Opern-Publikum gehörnt: Zwischen zwei beschlipst geschniegelte Enthusiasten setzt sich knistertütig Bananenchips kauend - der dritte: Er habe, erzählt er seinen pikierten Nachbarn, eine Karte für das Musical „Kittekat“ geschenkt bekommen. Die beiden anderen vertiefen sich darauf - „Wer singt denn heute den zweiten Geharnischten?“ - in ein fachsimpelndes Blabla. Beim Studium der Programmtexte (sie singen sie im Chor) erweisen sich die drei großen „Trs“ der Opernliteratur - Tristan, Traviata, Troubadour - als inhaltlich nahezu identisch. Als Intermezzo spielt Reinhard Buhrow ein brillantes Opern-Potpourri, für das er den „Prix pas de probleme“ erhalten hat, und schließlich mimen sie eine historische Aufnahme von „La Traviata“ auf dem Grammophon: mit quiekender Stimme, Klavier und Papier (Nebengeräusche) spießen sie zielsicher den Konservenkult auf. Eine komische Oper mit glänzenden Ideen.

Christian Vandersee

„Ein Schluck aus dem Opernglas“ noch bis zum 22.4. täglich um 20.30 Uhr Studiobühne Berlin (Bühne 1). Außerdem im Rahmen von Ohrenschmaus bis 30.4.: „Volxoper“, Frankfurter Kurorchester, 20.30 Uhr im ThiFOS.

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