: Bundeswehr: Geheimakten über Prominente
Bundeswehr sammelte personenbezogene Daten ohne Rechtsgrundlage / Politiker, Schrifsteller und Theologen in der Datei / Auch Daten ohne Bezug zum „Verteidigungsauftrag“ gesammelt / Weniger Sorgfalt mit Datei über rechtsextremistische Organisationen ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Das ist wirklich zu viel der Ehre für Egon Bahr: Über den SPD-Politiker und andere Prominente führt die Bundeswehr Geheimakten - eine Maßnahme der „psychologischen Verteidigung“ gegen „wehrfeindliche Gruppierungen in der Bundesrepublik“. Der jüngste Datenschutzskandal wurde in Bonn durch einen Brief des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Einwag, an den Verteidigungsminister bekannt. In dem 16seitigen Schreiben moniert Einwag die Sammlung personenbezogener Daten im Bonner Streitkräfteamt ohne jegliche Rechtsgrundlage. Das Dezernat I6 des Amts, zuständig für „Psychologische Verteidigung“, sammelte in einem Aktenordner Daten über „Argumentträger“ mit „Sachkompetenz“. Dazu zählen die Politiker Bahr, Däubler -Gmelin, Duve und Hirsch. In einem zweiten Ordner, ebenfalls als Verschlußsache eingestuft, finden sich Personen, die aus Sicht der „psychologischen Verteidigung West“ besonders relevant sind: „Träger von Bestrebungen gegen den Verteidigungsauftrag der Streitkräfte“. Hierzu zählen der Theologe Hans Küng, die Schriftstellerin Christa Wolf, der Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker sowie die Grünen Petra Kelly und Alfred Mechtersheimer. Einwag moniert insbesondere, daß dabei auch Daten gesammelt wurden, die „in keiner Beziehung zum Verteidigungsauftrag stehen“, zum Beispiel das Merkmal „alleinerziehende Mutter“ sowie detaillierte Angaben über berufliche Tätigkeiten. Eine Datei über rechtsextremistische Organisationen ließen die Psycho -Verteidiger hingegen in den vergangenen acht Jahren völlig veralten, um sie schließlich - Ergebnis einer ministeriumsinternen Besprechung - zu vernichten. Auf die Spur der Geheimakten kam der Datenschützer durch umfangreiche Überprüfungen beim Streitkräfteamt, beim Militärischen Abschirmdienst sowie in der Akademie für Psychologische Verteidigung. Ausgelöst wurde die Aktion durch eine „Monitor„-Sendung vor einigen Monaten über Bespitzelungen durch die Bundeswehr. Das Verteidigungsministerium hatte nach längerem Hin und Her anschließend versichert, daß die sogenannte „Zersetzer„ -Datei, die der MAD zu Hochzeiten der Friedensbewegung mit circa 30.000 Namen angelegt hatte, mittlerweile vernichtet sei. Datenschützer Einwag kritisiert aber auch jetzt den „Mangel einer normenklaren Abgrenzung zu den Aufgaben des MAD“.
Der grüne Innenpolitiker Manfred Such wies gestern darauf hin, daß durch das geplante MAD-Gesetz demnächst legalisiert werde, was der Datenschützer jetzt noch als rechtswidrig beanstanden könne. Das Verteidigungsministerium bastelte gestern nachmittag noch an einer Stellungnahme zu den Vorwürfen. Die Sozialdemokraten kündigten ein „parlamentarisches Nachspiel“ an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen