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DIE ZAUBERFLÖTEN

■ Die „Volxoper“ des Frankfurter Kurorchesters beim Ohrenschmaus

„Schiller sprach zu Goethe: 'Leih mir deine Flöte...'“. So kann man beginnen, um zu zeigen, daß das Frankfurter Kurorchester auf seiten des Volkes steht. Genauso richtig ist es, festzuhalten, daß am Eingang zur Fabrik Osloer Straße gleich der Hinweis kam, man erwarte nicht allzu viel Gäste, weil die Drohungen rechter Bürgerschrecks Wirkung zeige in Form von Absagen.

Dennoch fanden sich gut zwanzig Menschen ein, denen das Kurorchester ihr Repertoire bot, das mühelos die Bögen spannt von Joe Cocker zu Puccini und von Mozart zu Waits, ohne dabei ihr Ziel aus den Instrumenten zu verlieren: Mit Musik geht jede Revolution besser.

Daß diese nicht unbedingt ins Reich der Freiheiten führt, kann man sowohl ihren Statements aus dem Programmheft entnehmen oder aber durch eigene Anschauung beziehungsweise die Selbsterfahrungsgruppe. Diese wiederum ist zwar nicht unmittelbar Thema der Volxoper, doch lassen es sich die Dame und die vier Herren nicht nehmen, instrumental wie gesanglich darauf hinzuweisen, daß jede Revolution bei einzelnen Menschen anfängt. Sie bieten also ein Kompendium aus den Beziehungskisten, ohne dieses Wort auch noch aussprechen zu müssen. Sie greifen statt dessen in das Schatzkästchen des Volxliedes, das Bestandteil sowohl der Zauberflöte als auch der Lieder von Janis Joplin ist.

Musikalisch gehört, gelingt es ihnen dabei, Rock mit Pop, Klassik mit Blues zu versöhnen, was nicht heißen soll, daß die Harmonie so weit geht, Dissonanzen zu glätten. Nur verstünde es das Kurorchester, das Volk zum Tanzen zu bringen, wenn in der Oper die Stuhlreihen herausgerissen, in der Fabrik Osloer Straße, die Stühle entzogen wären. So sitzt man angewurzelt da und haut sich populistisch vor Lachen auf die Schenkel.

Und auch im zweiten Teil des Abends, nach der Pause, wenn das Kurorchester, wie die Volxmasse nun mal so ist, quasselnd und streitend in Hemdärmeln die Bühne erklimmt, führen sie das Volk in seinem Wesen und Wollen so vor, wie es sich vielschichtig darstellt. Wie klein der Schritt von einer Marschmusik im Wilden Westen zum Kampflied „Bella ciao, bella ciao...“ ist, wird unter anderem auch dadurch deutlich, daß die „Internationale“ ebenfalls die Massen ergreifen kann, ohne daß diese wissen, wohin die Reise geht. Da hilft einem nur noch „With a little help“ von Joe Cocker und die „Cemetery Polka“ von Tom Waits, die wie alle anderen auch nicht kopiert, sondern interpretiert werden. Was im übrigen auch auf einen Saitenhieb auf die „New Age„-Bewegung zutrifft, die sie musikalisch denunzieren.

Der einzige winzige Wermutstropfen dieses höchst amüsanten Programms ist die Überforderung der Gesangskünste Anne Bärenz‘, wenn sie sich Janis Joplin nähert. Aber nichts desto trotz: man muß auf einer Zugabe bestehen, in der jeder einzelne der Musiker sich einen Traum erfüllt. Frank Wolff spielt „It's now or never...“ so, wie er es als kleiner Junge einmal auf der Straße gehört hat. Das Volk ist gerührt.

Qpferdach

Bis zum 30.4. Täglich außer montags um 20.30 Uhr in der Fabrik Osloer Straße, Nr.12, Ecke Prinzenallee. Kartenvorbestellung Theaterkassen oder 4543320

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