: Innerer Sicherheitskatalog
■ Vermummung jetzt Straftat / Polizei darf jetzt bei Versammlungen mitfilmen / Zehn Jahre Höchststrafe für „Störung öffentlicher Betriebe / Kronzeugenregelung bis Ende 1992
Bonn (taz) - Das gestern im Bundestag verabschiedete „Artikelgesetz zur inneren Sicherheit“ umfaßt Änderungen des Strafgesetzbuchs, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes sowie eine bis 1992 befristete Kronzeugenregelung.
-Vermummung und „passive Bewaffnung“, bisher
Ordnungswidrigkeiten, werden zur Straftat; dies gilt bereits auf dem Weg zur Versammlung und bei „Zusammenrottungen“ danach. Strafmaß: Geldstrafe oder Knast bis zu einem Jahr. Anders als bei Ordnungswidrigkeiten ist die Polizei bei Straftaten zum Eingreifen verpflichtet.
-Strafbar macht sich, wer zu einer verbotenen oder für
ausgelöst erklärten Demonstration aufruft (Strafmaß wie oben). Die bloße Teilnahme bleibt eine Ordnungswidrigkeit.
-Erstmals wird im Versammlungsrecht bundeseinheitlich das
Filmen, Fotografieren und Mitschneiden durch die Polizei geregelt. Aufnahmen dürfen gemacht werden, wenn es „Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gibt, auch wenn Unbeteiligte davon betroffen sind. Die Filme können nicht nur für die Verfolgung von Straftaten aufgehoben werden, sondern auch wenn eine Person nur verdächtigt wird. Diese Blankovollmacht für Bild- und Filmdateien im Bundesrecht macht engergefaßte Regelungen auf Länderebene gegenstandslos.
-In Vorbeugehaft bis zu 48 Stunden (offiziell:
„Untersuchungshaft“) können DemonstrantInnen genommen werden, die zum wiederholten Mal des schweren Landfriedensbruchs verdächtigt werden. Eine einschlägige Verurteilung ist dafür nicht nötig.
-Für Geiselnahme sowie Diebstahl von Waffen und
Sprengstoff wird die Mindeststrafe von bisher drei auf fünf Jahre erhöht.
-Für „besonders schwere Fälle“ der „Störung öffentlicher
Betriebe“ wird eine neue Höchststrafe von zehn Jahren eingeführt. Dies zielt zum Beispiel auf Strommastsägen: Ein besonders schwerer Fall liegt vor, wenn die Versorgung „mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft beeinträchtigt“ wird.
-Kronzeugenregelung bis 31. 12. 1992: Bei
„terroristischen Straftaten“ (§129a) kann der Generalbundesanwalt mit Zustimmung eines Strafsenats von der Verfolgung des Kronzeugen absehen. Das Gericht kann Straffreiheit oder Strafmilderung gewähren. Wird der Kronzeuge selbst des Mordes oder Totschlags beschuldigt, darf das Gericht die Strafe nur bis zu einer Mindeststrafe von drei Jahren absenken.
Ch. Wiedemann
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