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Hospital-Beirat trat zurück

■ Am Evangelischen Hospital Lilienthal/Niedersachsen ging die Reformdiskussion über psychiatrische Groß-Anstalten vorbei / Elternbeirats-Mehrheit trat aus Protest zurück

Während die geschlossene psychiatrische Groß-Anstalt „Kloster Blankenburg“ nach langen Jahren der Reform-Debatte aufgelöst ist und die geistig und mehrfach-behinderten BewohnerInnen in kleineren Gruppen betreut werden ist 18 Kilometer vor der bremischen Landesgrenze im „Evangelischen Hosital Lilienthal“ alles beim alten geblieben: An die 500 Menschen sind dort untergebracht, allein 300 „geistig- und mehrfach Behinderte“. Ein Drittel davon kommt aus Bremen.

Als am Samstag der „Elternbeirat“ seine jährliche Versammlung hielt und seinen Rücktritt mitteilte, da waren gerade 30 vormundschaftliche Betreuer oder Eltern gekommen. Mangelndes

Engagement und Interesse der Vormünder ist nur einer der Gründe, warum die Eltern-Beiratssprecherin Anne Vetter, der frühere Chefarzt Dr. Fritz-Michael Müller und vier andere Mitstreiter ihre Mandate niederlegten. Mangelnde Kooperationswilligkeit der Hospital-Leitung und der Angestellten haben noch stärker dazu beigetragen. „Solche Großeinrichtungen sind einfach überholt“, sagt Dr. Müller. Das Hospital „sollte in dieser Form nicht weiterbestehen“, hatte die Sprecherin Anne Vetter den versammelten Vormündern ihre Meinung gesagt.

Aber das Land Niedersachsen ist von einer Reform, wie sie in Bremen vom Senat vor Jahren be

schlossen wurde, weit entfernt. Während das Hospital in Bremen immerhin zwei kleine „Außenwohngruppen“ für insgesamt zwölf Personen unterhält, finanziert vom hiesigen Sozialamt, weigert sich Niedersachsen, die übergroße Anstalt für geistig- und mehrfach Behinderte zurückzubauen. Und während das Land Bremen mit einem Pflegesatz bis zu 250 Mark monatlich die Betreuung der Hilfsbedürftigen finanziert, läßt sich das Niedersächsische Landessozialamt jede ins Hospital abgeschobene Person nur 175 Mark pro Monat kosten. Davon versickert noch einiges in den Ritzen der Bürokratie einer solchen Groß-Einrich tung. In Lilienthal bleibt für die

300 Bewohner im Behinderten Bereich nur Geld für zwei Psychologen, es gibt Überbelegung bei den Rollstuhlfahrern, die MitarbeiterInnen klagen über fehlende Krankengymnasten.

Der Elternbeirat, der mit seinen Reformvorstellungen für eine Dezentralisierung der Pflege in kleineren Einrichtungen nur gegen Beton lief, hat nun resigniert das Handtuch geworfen. Von außen und auf ehrenamtlicher Basis zu arbeiten, hat keinen Sinn, wenn man von der Leitung des Hospitals „eher als Störfaktor“ angesehen wird, fanden sechs der acht Vormund- und Eltern-VertreterInnen. Seit diesem Wochenende funktioniert das Hospital - ohne.

K.W.

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