: Schreyer spielt Schiffeversenken
■ Wassersportler empört über Umweltsenatorin Schreyer / 400 Boote müssen vom „Großen Fenster“ verschwinden / Grund: Natur- und Trinkwasserschutz / Für Windsurfer wird ein neues Domizil nahe Schwanenwerder gebaut / Umweltbehörde: Das ist erst der Anfang
Schwere Stürme ziehen auf für die 400 Segler und Motorbootbesitzer, deren Kähne am „Großen Fenster“ liegen, einem Uferabschnitt an der Unterhavel. Den Namen verdankt der Platz der schönen Aussicht über den ganzen Fluß, die die Hügel über dem Ufer bieten. Düster sind dagegen die Aussichten für die Bootsbesitzer am Ufer. Wegen einer Grünen sind die Bootsleute grün vor Ärger. Die AL-Umweltsenatorin Schreyer kündigte bei einem Ortstermin am Freitag an, im nächsten Jahr müßten die Schiffchen verschwinden. „Maßlos erregt“ ist nun Dieter Wittke, der Vorsitzende der Interessensgemeinschaft der Wassersportler am Großen Fenster (IGW). Auch Bootsbesitzer Peter Czada beklagt sich über die „Brutalität und die absolute Kälte“ der Senatorin. Denn, so Schreyers Position im Gegensatz zum alten Senator Starnick, die Boote müßten auch dann verschwinden, wenn kein Ersatzstandort für die Stege und vier Bootshäuser gefunden werden kann. Noch vor fünf Wochen, so Czada empört, gab es eine Einigung mit Starnick: die Bootshäuser und ein Surfer -Domizil sollten etwas weiter draußen im Wasser neu errichtet werden. Diese Genehmigung habe Schreyer nun mir nichts dir nichts widerrufen. Gegen diesen „Rigorismus“ kündigt Czada Proteste an: „Wir werden massiv kämpfen.“
Nicht nur einige Privatleute sollten den einzigartigen Blick vom Großen Fenster über die Havel unverstellt genießen dürfen, argumentiert Klaus Ermer von der Umweltbehörde. Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) hatte Schreyer gegen die von Starnick erteilten Genehmigungen mobilisiert. Hier im Landschaftsschutzgebiet, das an dieser Stelle auch Wasserschutzzone ist, sind derartige Nutzungen eigentlich verboten. Unter dem Ufer fördern Brunnen des Wasserwerks Beelitzhof Trinkwasser. Während die Bootsfahrer auf den mit Starnick gefundenen Kompromiß verweisen, erinnert Ermer an Harry Ristock: Seit dessen Zeiten als Bausenator vor über zehn Jahren sollten die Wassersportler vom Großen Fenster verschwinden. Keime und Schadstoffe, beschwört Umweltschützer Ermer die Gefahren, könnten ins Trinkwasser gelangen. Ein Neubau der Bootshäuser, gar wie geplant mit Sauna, würde den widerrechtlichen Zustand nur verfestigen, so der Senatsmann.
Bei der Suche nach neuen Bootsliegeplätzen will die Umweltbehörde zwar „behilflich“ sein. Eine „Koppelung“ an den Nachweis eines Ersatzplatzes wie zu Starnicks Zeiten gibt es jedoch nicht. „Wir können nicht garantieren, daß es mit einem Ersatz klappt“, räumt auch Sport-Staatssekretär Hans-Jürgen Kuhn (AL) ein.
Die Bootsleute von der IGW finden das ungerecht. Für die Surfer des Windsurfingvereins (WSV), die am Großen Fenster mit 600 Brettern vertreten sind, soll auf jeden Fall nahe Schwanenwerder ein neues Domizil gebaut werden. Die Bootsfahrer wähnen, hier würden erneut Vereinssportler den unorganisierten vorgezogen. Staatssekretär Kuhn dementiert das: Für die stapelbaren Surfbretter sei es schlicht leichter, ein neues Heim zu finden. Am neuen Surfer-Platz könnten vielleicht die Hälfte der IGW-Boote anlegen, so Kuhn.
Die Bootssportler der IGW - seit 65 Jahren wassern sie ihre Kähne am Großen Fenster - verstehen aber auch die ganze Richtung nicht. „Wir leben in einer Großstadt“, sagt Wittke. Die „reine Natur“ sei hier sowieso verloren. Überall entlang der Havel, erinnern die Segler, liegen Bootsplätze neben Brunnen der Wasserwerke. Warum sollen gerade die Anlieger des Großen Fensters verschwinden? Klaus Ermer nennt einen Grund: „Irgendwo muß man ja mal anfangen.“ Und für die IGW laufen 1990 ohnehin die Verträge aus. Andere, versichert der Schreyer-Mitarbeiter, kämen auch noch an die Reihe. Die Aussicht, daß die Umweltsenatorin mit dem Schiffeversenken am Havelstrand gerade erst anfängt, schreckt auch AL -Sportpolitiker Kuhn. Der Staatssekretär gestern zur taz: „Für das Große Fenster können wir das verstehen. Aber wir können nicht zulassen, daß der gesamte Wassersport eingeschränkt wird.“
hmt
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