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ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  Käpt'n Nemo und die Ukulele

Und wieder kreuzt Käpt'n Nemo durch die sieben Popmeere. Was bringt er mit aus den leergefischten Gewässern? Schon wieder Beatles-Fischstäbchen? Nein, Robyn Hitchcock beläßt es diesmal bei einigen Anleihen: nur ein paar gezogene I am the walrus-Streicher und ins Lächerliche parodierte Bach -Trompeten a la Penny Lane. Im Vordergrund steht jetzt die Suche nach dem eigenen Platz zwischen den Stühlen.

Hitchcock erzählt von seinen Obsessionen. Seltsame Zwangsvorstellungen, die wahrscheinlich in langen Jahren des Zähnezusammenbeißens unterm Regime viktorianisch gesinnter Kindermädchen herangereift sind. Viel Trost in Büchern muß er gesucht haben, der junge Robyn. Doch jetzt - „the way the English say: We only mustn't grumble in the end...“ jetzt perlen ihm die Bilder heraus. Er sieht den Teufel nackt (kein schöner Anblick für einen Gentleman, findet er), launisch oder in seinem Essen hockend (sicher scrumbled eggs). Er besingt die Madonna der Wespen. Das herbstliche Meer. Die Schönheit der Venen ihrer Majestät der Königin. Herrlich überspannte Texte in der Tradition britischen Dandytums, mit viel Friedhofsromantik, aber auch gelegentlichen Ausfällen ins Ordinäre.

Hitchcock zelebriert seinen exquisiten Folk-Pop mit der meditativen Gelassenheit eines Teerituals, leistet sich Brüche und Tempowechsel im Songgefüge, stimmt einen Moritatentonfall an, um dann wieder ganz ruhige und klare Linien zu ziehen. Der Gitarrensound (an dem Peter Buck von R.E.M. mitgewoben hat) ist ganz präsent und durchsichtig, während die Texte die Raffinesse ihrer eigenen Verschlüsseltheit zu genießen scheinen.

So bleibt denn auch ein Rätsel, was Queen Elvis, der „geniale Name“ (Presseinfo) der neuen LP, nun genau zu bedeuten hat. Wahrscheinlich irgendein superber Witz, über den Hitchcock sich heute noch bei jeder Gelegenheit ins Fäustchen lacht. Er ist der Typ, dem ich zutraue, daß er sich die Enthüllung seiner kleinen Verschlüsselungen für die Memoiren aufspart, voller Überzeugung, daß die Welt ihm aus der Hand reißen wird, was er mit welker Hand zu Papier bringt. Eine waschechte Spätausgabe des poetry -produzierenden englischen Exzentrikers also, momentan auf der Höhe seiner visionären Kraft. Selber schuld, wer sich das entgehen läßt.

Carmaig de Forest ist kein französischer Chansonnier, sondern ein großer, derber, blatternnarbiger Kerl von irgendwoher aus den USA. Wahrscheinlich Westküste. Er trägt einen crew cut und spielt Ukulele. Das ist schon alles, was ich über seine Person weiß. Auf den beiden Platten, die mir in die Hände gefallen sind, einer Studio- und einer Live -Mini-LP, schnurrt er mit der Stimme des all american guy kleine Alltagsbegebenheiten heraus. Der Mann legt los, empört sich, schiebt ein Liebeslied nach, dann ein Quengelstück und dann eine Agentenschnulze. Er bringt Kommentare, Selbstgereimtes, charmante Weisheiten wie Loving me's a piece of cake, if you can't cut it you just break it. Sätze, die nicht allzu ernst zu nehmen sind, für einen Augenblick aber ganz gut in der Luft hängen.

Natürlich stelle ich sie mir rauschgeschwängert und alkoholdurchdünstet vor, diese Luft. Die 6 Live Cuts rufen noch einmal etwas vom abgelebten Zauber der Club -Atmosphäre wach. Paradise Lounge heißt der Schuppen, den CdF mit einem Gastspiel beehrte. Sehr viel Leute sind wohl nicht dagewesen, aber denen scheint's gefallen zu haben. Nahezu konspirativ die Stimmung, wenn CdF irgendwas von Schlußmachen (wegen „trouble with the Police“) brabbelt und dann eine böse Version von You can't always get what you want anstimmt. Von der alten, längst aus der Mode gekommenen Sitte, die Stücke mit ein paar gerade ausgedachten und spontan herausgestoßenen Stammelsätzen einzuleiten, wird noch mal Gebrauch gemacht. De Forest ist ein Entertainer wie Tom Waits in seinen frühen Jahren mal einer war. Trocken, fast wie ein Banjo, und ganz ohne fröhlich-folkloristischen Touch schrappt die Ukulele aus den kräftigen Riffs der Backing-Band heraus. In manchen Passagen trägt sie den Song ganz allein, und zwar erstaunlich gut und souverän.

Beide Aufnahmen sind schon 1987 entstanden, doch zumindest die Live-LP wird erst seit kurzem über Frankreich vertrieben. Die Studio-Platte trägt den beziehungsreichen Titel I shall be released und bringt die kleinen Kanten der Songs, die es bei aller Einfachheit reichlich gibt, besser zur Geltung. Wesentlichen Anteil daran hat der Mann am Produzentenpult, der auch mit einer sparsamen, knurrigen Gitarre dabei ist: Alex Chilton.

Thomas Groß

Robyn Hitchcock 'n‘ The Egyptians:

Queen Elvis (A & M)

Carmaig de Forest: 6 Live Tracks,

I shall be released (beide New Rose)

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