: Warten auf den eigentlichen Startschuß
Eishockey-WM: Pflichtprogramm in der Vorrunde / Dopingvorwürfe sorgen für Aufregung ■ Aus Stockholm Herbert Neuwirth
„Dopingskandal“ hieß der größte Spannungsfaktor bei den Spielen der Eishockey-WM in Stockholm am Wochenende. Recht schnell verbreiteten sich in zwei Fällen die Gerüchte um Dopingfälle. Zu schnell. Noch bevor die zweite Probe der verdächtigten Spieler klar war, wurden deren Namen bekanntgegeben. Das sorgte für Unmut und unnötige Hektik in den Reihen der Spieler und Offiziellen. So wurde kurz vor dem Match Schweden - Kanada verlautbart, daß ein kanadischer Spieler von der Disqualifikation bedroht sei. Kein schöner Zug der schwedischen Organisatoren, gerade diesen Zeitpunkt zu wählen und damit Unruhe in die kanadische Mannschaft zu bringen.
Eine positive Woge an Getöse erfüllte dagegen die sonst so langweilig ruhigen Zuschauerränge der Stockholmer Globe -Arena. Der schwedische Co-Trainer Bengt Ohlsen hatte sich nämlich in den Medien schwer über die Trägheit des Publikums beklagt: „Wir kriegen ja keinerlei Unterstützung von den Rängen“, wetterte er, „es ist einfach zu ruhig. Wir sind traurig über das fehlende Engagement der Zuschauer.“ Und der Aufruf fruchtete - allerdings nicht ganz von selbst. Stockholms zweitgrößte Abendzeitung 'Aftonbladet‘ sah sich gezwungen, Anheizer zu organisieren, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Dazu trug allerdings auch das hochklassige Spiel bei, in dem die Schweden ständig einem Rückstand nachjagen mußten, um schließlich nach einem packenden Schlußdrittel doch noch mit 6:5 über die verzweifelt anstürmenden Kanadier zu triumphieren.
Bis zum Mittwoch darf jedoch nicht mehr allzuviel Begeisterung von den Eishockeyfans erwartet und verlangt werden. Denn vorerst ist die Eishockey-WM zum „Pro-forma -Turnier“ degradiert. Seit dem Sieg der US-Mannen gegen das Team der Bundesrepublik steht fest, welche Mannschaften um die Medaillen und welche gegen den Abstieg spielen werden. Das heißt: nicht ganz. Der unsportliche Faktor Doping brachte kurzzeitig wieder Spannung ins Turnier: Schon vor dem Spiel gegen die Deutschen war der 24jährige Amerikaner Corey Millen des Dopings überführt worden und saß betrübt auf der Zuschauertribüne. In der WM-Tabelle wurde dadurch kein größerer Eingriff notwendig.
Für Hektik und Zahlenspielchen sorgte allerdings der Verdacht, Kanadas Randy Carlyle sei gedopt gegen die deutschen Mannen angetreten. Damit hätte sich rein rechnerisch für das Team von Xaver Unsinn eine Chance aufgetan, doch noch beim Kampf um die Medaillen mitzuwirken. Doch die zweite Probe Carlyles fiel negativ aus. Ein Trostpflaster für den angekratzten Sportsgeist bei der WM. Aber die Spannung fiel endgültig weg, denn in den Vierergruppen werden die Ergebnisse der Vorrunde nicht gerechnet.
Die Bundesrepublik, Finnland, USA und Polen machen also den Abstieg untereinander aus. Und wenn nichts völlig Unvorhergesehenes passiert, muß der Prügelknabe dieser WM, der Neuling Polen, dran glauben und nächstes Jahr Platz für Norwegen machen, das bei der B-WM in Oslo gesiegt hatte. Die Abstiegsrunde verspricht keinerlei Spannung..., und damit haben sich die Erwartungen des schwedischen Fernsehens und Rundfunks erfüllt: Sie hatten nur Übertragungen aus der ersten Gruppe eingeplant.
Was die Verteilung von Gold, Silber und Bronze betrifft, wird es vermutlich umso enger werden. Der amtierende Weltmeister, Schwedens „Drei-Kronen-Team“, ist nach nervösem Start zu Hochform aufgelaufen, und im Team der UdSSR machen die Youngsters eine immer stärkere Figur. Die Kanadier spielen enorm druckvoll, auch wenn sie bei der 3:4 -Niederlage am Samstag gegen die UdSSR nicht voll aus sich herausgingen, und können sicher überraschen. Bleibt die CSSR, die bisher nicht überzeugte. Aber auch dieses Team scheint die anfänglichen Probleme größtenteils abgebaut zu haben. Es ist also alles offen, wenn ab Mittwoch der eigentliche Startschuß fällt für den Run aufs Siegertreppchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen