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Ablauf der Kämpfe in Namibia untersucht

Vorwürfe werden laut, Südafrikas Besatzungstruppen hätten gefangene Swapo-Kämpfer hingerichtet / Zeitliche Details beleuchten den Ablauf der Kämpfe in neuem Licht / Interview zum politischen Hintergrund  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Im Norden Namibias, wo vor zwei Wochen die schwersten Kämpfe in der Geschichte des Landes wüteten, ist inzwischen unsichere Ruhe eingetreten. Das Apartheidregime hat angekündigt, seine Truppen ab Mittwoch für 60 Stunden in die Kasernen zurückzuordern, um den Swapo-Kämpfern den Rückzug über die Grenze zu erleichtern. Doch die meisten Swapo -Kämpfer haben sich entschieden, den am 9. April von Südafrika, Angola und Kuba beschlossenen Aufruf zur Rückkehr nach Angola zu ignorieren. Nur etwa die Hälfte der 1.500 Swapo-Kämpfer, die Anfang April aus Angola nach Namibia gekommen waren, haben bisher die Grenze nach Angola überquert.

In den letzten Tagen befinden sich die Südafrikaner nach anfänglichen Propagandaerfolgen in der Defensive. Die Indizien häufen sich, daß die Sicherheitskräfte mit rücksichtsloser Grausamkeit gegen die aus Angola kommenden Swapo-Kämpfer vorgingen. Verschiedene Journalisten behaupten nach der Besichtigung von Leichen daß sie durch Kopfschüsse aus nächster Nähe getötet wurden - ein Hinweis, daß sie nach der Gefangennahme von Polizisten oder Soldaten regelrecht hingerichtet wurden. „Was macht das schon aus“, fragte ein Polizist einen britischen Journalisten. „Sie sind Swapo -Kämpfer, und sie sind tot. Das ist das einzig Wichtige.“

Dorfbewohner berichten außerdem, daß die in Massengräbern begrabenen Leichen nicht alle Swapo-Kämpfer waren. Es ist schwierig, die Leichen einzuordnen, da die Kleidung entfernt wurde. Einige Leichen wurden dennoch als Dorfbewohner identifiziert. Andere Leichen konnten weder von der Swapo noch von Dorfbewohnern identifiziert werden. Es wird vermutet, daß es sich um gefallene schwarze Polizisten handelt, die von der südafrikanischen Polizei als gefallene Swapo-Kämpfer gezählt wurden.

Auch der Ablauf der Gefechte am 1. April wirft Fragen auf. So behauptete Südafrikas Rüstungsminister General Malan diese Woche, daß das Militär von dem Eindringen der Swapo nicht überrascht wurde. Das widerspricht anfänglichen Aussagen von Militärsprechern im Norden Namibias. In der Tat prahlt Südafrika schon lange, Swapo-Strukturen infiltriert zu haben und über alle Truppenbewegungen bestens informiert zu sein. So scheint es jetzt, als ob die Südafrikaner auf die Swapo-Kämpfer gewartet haben, um sie niederzumetzeln. Diese Möglichkeit wird durch den Zeitablauf der Gefechte unterstützt. Polizeiangaben zufolge wurden die ersten Spuren von Swapo-Kämpfern an der Grenze um 7.45 Uhr entdeckt. Das erste Gefecht fand angeblich um 11.10 Uhr statt. Mehr als drei Stunden war also Zeit, um entweder die UNO zu Hilfe zu rufen, um Blutvergießen zu vermeiden - oder um nach Rücksprache mit Pretoria die politische Entscheidung zur Eröffnung des Feuers zu treffen. Die Gefechte wurden jedoch erst am späten Nachmittag des 1. April bekannt - mehrere Stunden, nachdem sie begannen. Offenbar wurde die Veröffentlichung verzögert, bis die britische Premierministerin Thatcher in Windhuk gelandet war.

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