: „Republikaner“: Hauen und Stechen nach der Wahl
Berliner Vizechefin der „Republikaner“ aus der Partei ausgetreten / Vorwurf: „Dubiose Geldmachenschaften“ des Parteivorsitzenden Andres / Querelen auch an der Parteibasis: Unterwanderung durch Neonazis in den Kreisverbänden ■ Aus Berlin Willi Münzenburg
Mitten im Kreuzberger Kiez, idyllisch am Landwehrkanal gelegen, befindet sich das Gartenlokal „Ufergarten“. Die außen angebrachten großen Schilder zeigen an, daß hier der „Sparverein Goldesel 1987“ sein Domizil hat und der örtliche Fußballklub „1.FC Leuchtturm“ seine Vereinsversammlungen abhält. Bei ihren Spaziergängen entlang des von alten Weiden gesäumten Gewässers rastet hier im schattigen „Ufergarten“ gern die sogenannte „Kreuzberger Mischung“. Vom Jungautonomen bis zum 68er-Lehrer sitzen sie bis in die Nacht vor ihrem Schultheiss-Bier.
So auch an einem der ersten schönen Abende Anfang dieses Monats. Doch an diesem Donnerstag abend war nicht nur vor dem Lokal etwas los: Im Hinterzimmer, direkt vor den Trophäenschrank des 1.FC Leuchtturm, hatte sich der erst eine Woche zuvor neugewählte Kreisvorstand der „Republikaner“ im Bezirk Kreuzberg plaziert. Über den „Republikaner„-Wimpel auf dem Vorstandstisch hinweg hieß der neue Kreuzberger Chef der rechtsextremen Partei, Wolfgang Fisch, seine Mitglieder willkommen. Er erwies sich als routinierter Versammlungsleiter. Kein Wunder: Noch bis vor kurzem saß der 51jährige Fisch für die CDU in der Kreuzberger Bezirkssverordnetenversammlung (BVV). Seinen Austritt hatte der REP-Novize „mit dem seit langem anhaltenden Linkskurs der CDU“ begründet.
Bevor es zur Sache ging, wurde zunächst mal die praktische Standortsicherung geregelt: „Liebe Parteifreunde, laßt die Fenster zu! Draußen im Garten sitzen die Grün-Chaoten.“ Und so verdichtete sich die Luft im Hinterzimmer von Stunde zu Stunde. Nicht nur wegen der Rauchschwaden. Unter den mittlerweile 28 eingetroffenen Parteimitgliedern, darunter acht Frauen, herrschte keineswegs traute Eintracht. Drei Parteimitglieder erhoben massive Vorwürfe gegen den neuen Vorstand und vor allem gegen den Kreuzberger Vertreter der „Republikaner“ im Berliner Abgeordnetenhaus, Artur Göllner. Dem CDU-Abtrünnigen Fisch warfen die Opponenten vor, er sei satzungswidrig an seinen Vorstandsposten gekommen. Er habe nicht alle Kreuzberger Mitglieder zum Wahlgang geladen und nicht die erforderliche Mehrheit von 50 Prozent der Parteimitglieder erhalten. Über diesen Vorgang, so hieß es, habe man bereits das Parteischiedsgericht in München informiert.
Neonazis durch die Hintertür
Noch schärfer allerdings gingen die parteiinternen Kritiker den Abgeordneten Göllner an. Ihm warfen sie vor, die Reputation der Partei zu schädigen, indem er die Aufnahme bekannter Neonazis födere. Doch nicht nur das: „Ämterpatronage“ und „undurchsichtige Finanzmachenschaften“ lauteten die weiteren Anwürfe gegen den Abgeordneten. Der Gescholtene konterte seinerseits mit einem Angriff gegen einen seiner Kritiker: Dieser möge gefälligst schweigen, denn er habe bei seinem Eintritt in die Partei seine frühere NPD-Mitgliedschaft verschwiegen. Der so Attackierte legte daraufhin ein verblüffenden Bekenntnis ab: Nie sei er NPD -Mitglied gewesen, „seine einzige Jugendsünde“ sei, daß er als 23jähriger für kurze Zeit Mitglied der SPD gewesen sei.
In der Partei, die angetreten ist, „gegen Filz und Korruption für Ordnung zu sorgen“, kracht es. Unlautere Finanzgeschäfte werden auch dem Spitzenmann der Berliner REPs, dem 35jährigen Polizisten Bernhard Andres, aus Insiderkreisen vorgeworfen. Und das inzwischen nicht mehr nur aus der unteren Parteiebene: Zum Wochenende trat die stellvertretende Berliner Landesvorsitzende der REPs, Alexandra Kliche, wegen „dubioser Geldmachenschaften“ aus der Partei aus. Andres soll einen 100.000-Mark-Kredit, dem ihn ein Parteifreund für den Wahlkampf geliehen hat, nicht zurückgezahlt haben. Der REP-Chef hat im Gegenteil bei einer Vorstandssitzung sogar energisch bestritten, das Geld erhalten zu haben. Der Landesschatzmeister sieht das allerdings anders: Ihm sollen eindeutige Belege für den Kredit an Andres vorliegen.
Daß Andres gerne locker mit großen Summen jongliert, hatte er schon zuvor unter Beweis gestellt: Mitten im Berliner Wahlkampf hielt er es für geboten, der Partei- und Wählerbasis ein rauschendes Fest in den Sälen der Trabrennbahn Mariendorf zu bieten. Für die Parteikasse sollten dabei noch 20.000 Mark Gewinn herausspringen. Doch diese Rechnung ging nicht auf: Statt der 20.000 Mark Gewinn hatten die REPs 4.000 Mark Miese zu verbuchen. Den Verdruß der Mitgliedschaft bis hin zu den Funktionären hat sich Andres auch durch seinen rabiaten Umgang mit parteiinternen Kritikern eingehandelt. Eine dieser Auseinandersetzungen ist inzwischen sogar Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung bei der Staatsanwaltschaft: Im Gefolge einer heftigen Diskussion soll die Nummer eins der Berliner REPs einen anderen REP -Funktionär tätlich angegriffen und zu Boden geschlagen haben.
Kredite für den Wahlkampf
Verärgerung in den elf Berliner Kreisverbänden der REPs herrscht auch über das Nichteinhalten finanzieller Zusagen für den Aufbau von Kreisgeschäftsstellen. Jedem Kreisverband hatte die Berliner Spitze der Partei direkt nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und der Auszahlung von 580.000 Mark Wahlkampfkostenrückerstattung großzügig 10.000 Mark zur Einrichtung ihrer Geschäftsstellen versprochen. Vorerst aber wird daraus nichts werden. Der Kreuzberger Abgeordnete Göllner jedenfalls trat vor die Parteimitgliedschaft, um von dieser ganz im Gegenteil Kleinkredite für die Parteikasse zu erbitten. „Ihr bekommt diese Gelder ganz bestimmt wieder,“ versicherte Göllner, „denn nach den Europawahlen haben wir wieder eine Wahlkampfkostenrückerstattung zu erwarten. Selbst wenn wir nur 0,5 Prozent der Stimmen kriegen, gibt es dafür 1,5 Millionen Mark. Aber wir schneiden ganz sicher besser ab.“ Dann würde auch der 200.000-Mark-Kredit, den die Berliner REPs der Bundespartei gezahlt hatten, zurückgezahlt. Darüber hinaus kalkuliert Göllner mit Zuwendungen aus der Geschäftswelt: „Wie schon mit Erfolg im Berliner Wahlkampf werden wir uns auch zur Europawahl wieder um Spenden von Geschäftsleuten bemühen.“
Aber nicht nur die noch fehlenden Gelder zur Einrichtung einer Kreisgeschäftsstelle treibt die Kreuzberger REPs um. Eifrig diskutierte die Versammlung im Hinterzimmer des „Ufergartens“ die Frage, wie eine Geschäftsstelle vor den „Grün-Chaoten“ zu sichern sei. Auf allgemeine Zustimmung stieß der Vorschlag des Vorsitzenden Fisch: „Wir können weder eine Ladenwohnung noch eine leere Fabriketage nehmen. Unsere Kreisgeschäftsstelle kann nur in einem ganz normalen Mietshaus eingerichtet werden. Denn sonst schlagen uns die Grün-Chaoten alle Nase lang die Scheiben ein.“ Einigkeit stiftete auch die Frontfrau der dreiköpfigen REP-Riege in der BVV im Rathaus Kreuzberg, Rita Bönisch. Unter langanhaltendem Beifall verkündete sie die Marschrichtung der REPs für die erste Bezirksverordnetenversammlung. Erster Tagesordnungspunkt: kommunales Wahlrecht für Ausländer. Rita Bönisch: „Darüber diskutieren wir erst gar nicht.“ Und mit dieser Devise kann sie sich der Gefolgschaft wohl aller inzwischen 98 Kreuzberger Parteimitglieder (Stand: 20.4.89) sicher sein.
Doch auch die ungetrübte Einigkeit in punkto Ausländerfeindlichkeit konnte den parteiinternen Clinch nicht überdecken, so sehr Fisch auch darum rang: „Liebe Parteifreunde, es geht uns doch allen um die gemeinsame Sache.“ Das Münchner Parteischiedsgericht hat sich allerdings erst mal mit weitaus profaneren Dingen zu befassen. Und auch der Bundesvorsitzende Schönhuber zeigt sich verärgert ob der anhaltenden Querschläger gegen die Reputation der Partei. Schon bevor die stellvertretende Berliner Landesvorsitzende Alexandra Kliche der Partei den Rücken kehrte, hatte Schönhuber in der vergangenen Woche gewettert: „Aus Berlin hören wir in der letzten Zeit leider nur Schlechtes.“
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