: Gute Bürgermeister-Miene
■ ... zu bösem Unternehmerspiel / Bremer Arbeitgeber luden Klaus Wedemeier als Pausenclown und Watschenmann zum „Unternehmerforum 89“ ins Parkhotel
Eigentlich hätte Klaus Wedemeier gestern allen Grund gehabt, griesgrämig auf den Hollersee zu gucken und sich unruhig den Hosenboden des grauen Anzugs auf dem gediegenen Parkhotelgestühl blank zu schubbern. Schließlich ist es nicht gerade die feine Art, einen Ministerpräsienten erst zu einer Gesellschaft zu bitten und ihn dann zur allgemeinen Belustigung als Watschenmann in der ersten Reihe zu placieren. Patsch, da saß die erste Backpfeife, patsch, da hatte der Bürgermeister die zweite weg und mußte für jeden Volltreffer ins eigene Gesicht auch noch höflich Beifall klatschen.
So was gehört sich einfach nicht. Schließlich fand die Bürgermeister-Blamage nicht in irgendeinem SPD-Ortsverein statt, sondern beim „Unternehmerforum 89“. 400 Unternehmer -Herr-schaftentrafen sich dazu gestern im luxuskarossen -umstellten Parkhotel, alle in fashionablen Blau-und Grautönen oder im
kleidsamen Color-Mix, Boss-Anzüge, Burlington Socken, Damenwinker in der Brusttasche. Und dazwischen einer in Grau, obendrein Sozialdemokrat und nebenher Bürgermeister. Fair ist das nicht.
Natürlich, in solchen Kreisen übt man die Kunst des Backpfei
fens subtiler als z.B. bei Gewerkschaftstagen oder in SPD -Unterbezirken, kultivierter sozusagen: Statt grober Keile setzt es fein placierte Nasenstüber, zu denen die aufmunternden Trösterchen höflich gleich mitgeliefert werden.
Nasenstüber eins, im Programm eigentlich als „Eröff
nungsansprache“ angekündigt: Er stammte von Bremer Arbeitgeber-Präsident Peter Kloess. Mit sibyllinischer Freundlichkeit räumte der Arbeitgeberpräsident ein, laut Umfrageergebnissen habe Bremens Image ja in jüngster Zeit durchaus an Glanz zurückgewonnen, allerdings um sofort einzuschränken: Unternehmerverbände sind keine Fremdenverkehrsvereine. Unternehmen brauchen keine Imagewerbung, sondern eine „verläßliche, kalkulierbare Politik“. Da lugte der „Wortbruch-Senat“ schon das erste Mal zwischen den Arbeitgeber-Präsidenten-Zeilen durch, um gleich darauf in voller Schönheit durch den Saal zu geistern: Auf Unternehmer wirkt „die bremische Schulpolitik eher abschreckend“, sagte Kloess, nicht ohne anzumerken, daß Wirtschaftsentscheidungen zu „50 Prozent aus Psychologie bestehen“, und in der Unternehmer-Psyche Kultur und Bildung ganz oben rangieren. Da mußte der höfliche Bürgermeister das erste Mal klatschen.
Der zweite bürgermeisterliche Beifall gegen SPD-und Gewerkschafspolitik war fällig, als mit Tyll Necker der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie höchstselbst sein Bremer Debut gegeben hatte und sein Plädoyer für europäischen Binnenmarkt und gegen mehr Bürokratie mit ein paar Ausfällen gegen sozialdemokratische Steuerpolitik und gewerkschaftliche Arbeitszeitverkürzung gewürzt hatte. Neckers emphatisches Bekenntnis: „Ich halte das neue Grundsatzprogramm der SPD mit der Zielvorstellung 30-Stunden-Woche für schlechterdings unverantwortlich.“ Auch da klatschte der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Wedemeier kräftig.
Zwischendurch mußte er übrigens selbst ein paar Worte zur Bremens versammelter Unternehmerschaft sagen. Der gescholtene beschränkte sich seinerseits auf Höflichkeiten: „Ich belasse es bei einem Grußwort.“
K.S.
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