: Mainhattan will mit Kunst hoch hinaus
■ Mit der Kunstmesse „Art Frankfurt“ betritt die Geldmetropole neues Terrain / Von Axel Schmidt
„Von der Kunst, mit Geld umzugehen“, so eine Headline der Dresdner Bank, gibt es in Frankfurt ein tradiertes Wissen. Nun wird auch „kulturelles Kapital“ am Main akkumuliert. Erstmals öffnete am Freitag die „Art Frankfurt“ ihre Tore. 200 Galeristen aus 14 Ländern zeigen bis 26. April vorwiegend moderne Kunst. Der Bankenplatz Frankfurt will mit seiner groß aufgezogenen Kunstmesse den etablierten Kunstplätzen Basel und Köln das Geschäft streitig machen.
Um im Banken- und Handelszentrum Frankfurt auch den Handel mit aktueller Kunst zu aktivieren, findet jetzt die erste Kunstmesse statt. Sie ist das mit einem Saldo von rund zwei Millionen Mark veranschlagte Resultat von Ideen, die in die Jahre 1986/87 zurückgehen und durch die Initiative von Stadtbaudezernent Haverkamp und Kulturdezernent Hoffmann maßgeblich vorangetrieben wurden. Mit umfangreichen Werbemaßnahmen ausgestattet und als „Die neue internationale Kunstmesse“ plakatiert, tritt die Art Frankfurt vom 21. bis 26.April als Konkurrenz zu den alten Kunstmessen auf, zu Basel und vor allem zu Köln. Die Basler Messe ist, mittlerweile in ihrem 20.Jahr, eine renommierte ständische Institution, die sich finanziell selbst trägt. Frankfurt will von dieser Erfahrung profitieren und hat der Basler Messe als Geschäftsführerin Anita Kaegi abgeworben. Sie war neun Jahre lang in Basel tätig. Während Basel sich dennoch bislang nicht weiter aus der Ruhe bringen ließ, ist die schon während der 21. Art Cologne 1987 aufgekommene Nervosität in Köln gestiegen. Der Kölner Kunstmarkt, so die frühere Bezeichnung der Messe, war nach aufreibenden Anstrengungen und im Streit mit Düsseldorf ins Leben gerufen worden. Durch Neuberufung an die Stadelschule hat sich Frankfurt in den letzten Jahren im Gefolge des neuen Rektors Kasper König schon einige bekannte Namen aus dem Köln/Düsseldorf-Raum eingehandelt.
Die Herausforderung durch die Art Frankfurt ist unmißverständlich aufgefaßt worden. Es nehmen nur zwei der großen Kölner Galerien an der Messe teil (Karsten Greve, Teufel), nachdem sich besonders durch die Initiative des Kölner Berufsverbandes Deutscher Galeristen e.V., dem Ausrichter der Kölner Messe, drei renommierte Kölner Galeristen (Maenz, Werner, Zwirner) zum Boykott der Art Frankfurt entschlossen haben. Eine dieser Galerien ist seit einigen Wochen Anfeindungen ausgesezt, weil hauptsächlich sie es war, die die Exponate für die Großausstellung Bilderstreit liefert. Sie deckt die ganze Fläche, die im Herbst die Art Cologne einnimmt. Mit ihr versucht Köln zur Zeit seine Attraktivität zu unterstreichen. Die dortigen Ausstellungsmacher wurden hinsichtlich subjektiver Beliebigkeit der Auswahl mit nur labilem Ausstellungskonzept kritisiert. Darin steht Bilderstreit, trotz großer Präsenz guter Werke, der gegenwärtigen Frankfurter Prospect '89 in nichts nach, mit der schon zum zweiten Mal über den Rahmen des Kunstvereins hinausufernde Ambitionen auch die benachbarte Kunsthalle Schirn in Beschlag nehmen.
In diesem Städtestreit übertrifft die Anzahl der teilnehmenden Aussteller die Frankfurter Messe die Kölner, so wie der im Bau befindliche Messeturm das bislang höchste europäische Gebäude überbieten wird. Zehn Prozent der Aussteller kommen aus Frankfurt selbst, wo laut Hoffmann in den letzten drei Jahren 18 Galerien dazugekommen sind. Bei den hohen Erwartungen, die an die Veranstaltung geknüpft werden, ist es durchaus verständlich, daß Galerien, die dem Ganzen erst skeptisch gegenüberstanden, schnell noch mitzogen, als die Pläne konkreter wurden. Und es ist auch nicht verwunderlich, daß sich abgelehnte alteingesessene Frankfurter Galerien einklagen wollen, um bei diesem Heimspiel dabei zu sein. In diesem Rahmen wurde Kritik an Anita Kaegis Auswahl unter den 600 Bewerbern laut. Kulturdezernent Hoffmann hat auf der Pressekonferenz der Art Frankfurt wiederholt betont, daß er sowohl die Autonomie von Frau Kaegis Entscheidung gewahrt sehen will, wie er auch für die unangetastete Autonomie der Städelschule hinsichtlich der Berufung von Hermann Nitsch beim hessischen Kulturminister eintritt. Der zur Zeit durch die Medien zu ebenso unverhoffter wie zweifelhafter Aktualität gekommene Künstler ist auf der Art Frankfurt nach Franz Erhard Walther und A.R.Penck mit seinem Werk an acht Stellen vertreten. Danach rangieren Siegfried Anzinger, Georg Baselitz, Joseph Beuys, Nicola de Maria, Sol LeWitt, Günther Uecker und dann die über 1.500 übrigen. Diese Zahl lädt nicht gerade zum Verweilen vor den einzelnen Werken ein.
Insgesamt präsentiert Frau Kaegi 200 Aussteller aus 14 Ländern. Internationalität bedeutet bei dieser Zahl, daß knapp über die Hälfte (106) von ihnen aus dem Ausland stammt, worunter Frankreich (27) mit ca. einem Viertel stark vertreten ist. Es folgen die Schweiz (15), Österreich (12), Italien und Spanien (je 10), usf. Die USA haben mit vier Beteiligungen nur geringes Interesse gezeigt. Israel und Argentinien sind mit jeweils nur einer Galerie die einzigen anderen nichteuropäischen Teilnehmer. Aus Osteuropa kommt eine polnische Galerie. Immer wieder ist während der Diskussion um die Messe im Kunsthandel die Kritik aufgekommen, daß die Zersplitterung in mehrere Messen dem Ganzen nicht förderlich sei. Eine Dezentralisierung zerstört die Idee des Marktes als Knotenpunkt für Handel und Kommunikation. Die Galerien müssen sich für die eine oder andere Messe entscheiden, wenn sie nicht das aufreibende Geschäft von Handlungsreisenden in Sachen Kunst ausüben wollen.
Die aus dem Defizit renommierter Namen, die mit teurer Kunst gute Geschäfte machen, entstehende Verlegenheit verschränkt sich mit der Spekulation, die Messe für junge Galerien zu öffnen. Für diese Gruppe mit ihrem Programm junger Künstler sind die etablierten Messen hermetische Gebilde, die einige Anläufe nötig machen, um sich in der ständischen Ordnung nach oben dienen zu können. Ihre verbreitete Anwesenheit gibt der neuen Messe ein anderes Erscheinungsbild. Mit den großen Galerien fehlen in Frankfurt auch bekannte Namen aus der klassischen Moderne sowie einige bewährte Zeitgenossen. Dafür präsentieren sich um so mehr Aufsteiger. Allein aus Frankfurt stammen 20 Galerien. Und damit finden zum Teil auch einige der 800 laut Hoffmann dort lebenden Künstler Zugang. Gegenüber den alteingesessenen Messen kann Art Frankfurt zu einem Generationswechsel in der Kunst werden, wenn die ins internationale Licht gerückte Kunst junger Galerien sowohl qualitative Maßstäbe erfüllt, als sich auch lukrativ vermarkten läßt. Das wird sich nicht von heute auf morgen vollziehen. Weil Herausragendes fehlt und sich richtig schlechte Sachen in Grenzen halten, macht das Angebot der Art Frankfurt alles in allem einen recht passablen Eindruck.
Anders als Frankfurt haben die Kölner und Baseler Messe ihrerseits bedeutend kleiner begonnen und sind in nunmehr zwei Jahrzehnten organisch gewachsen. Die Frankfurter Messe wird ohne Kosten zu scheuen, die in Frau Kaegis Wissen und Erfahrung investiert werden, direkt im großen Rahmen aus der Wiege gehoben. Man kalkuliert, damit das Ganze am Leben bleiben soll, mit einer dreijährigen subventionierten Anlaufzeit und einer jährlichen Besucherzahl von 30.000, erwartet aber für diesmal schon 40.000. Es ist abzuwarten, ob sich Frankfurt das Fehlen umsatzkräftiger großer Galerien leisten kann, oder ob sich diese die Abwesenheit von einem umsatzkräftigen Ort leisten können. Schließlich geht es bei einer Messe um Geld, was man bei Kultur allzuleicht übersieht. Und letztlich warten besonders die jungen Künstler und die Galeristen, die Geld und Hoffnung in sie investieren, auf den Verkauf an Banken und Sammler. Die Zukunft der Messe kann sich zwischen zwei Polen vollziehen. Nehmen in den nächsten Jahren bekannte Aussteller mit gutem Umsatz zu, gewinnt die Messe eine kommerzielle Eigendynamik. Macht sie sich nicht weitgehend von den öffentlichen Subventionen frei, wird sie immer mehr von hessischen Galerien beansprucht. Dann läßt die Provinzialität sie nicht das Prestigeobjekt werden, als welches ihre Initiatoren sie sich wünschten.
Museen sprießen wie Banken aus dem Boden. Zuerst unter Oberbürgermeister Wallmann, dann unter Brück ist der Plan des Museumsufers Teil einer kulturellen und städtebaulichen Kosmetik, die innerhalb genau festgelegter Grenzen die Innenstadt attraktiver machen und damit Frankfurts Image insgesamt aufpolieren will. Die Kunstmesse gliedert sich in diese Kulturpolitik ein. Nicht nur aus der musealen, auch aus der aktuellen Kunst kann Geld geschlagen werden. Jenseits dieser Grenzen, wo die meisten Frankfurter tatsächlich zu Hause sind, hat sich außer Steigerung der Wohnungsnot, der Mieten und des Verkehrs in den letzten Jahren nichts Wesentliches geändert, Probleme mit deren Lösung sich nun die rot- grüne Koalition konfrontiert sieht.
Was bedeutet das für die Zukunft der Messe? Sie wird auch unter dem neuen Oberbürgermeister Volker Hauff fortbestehen, das ist sichergestellt, und für Kontinuität spricht auch die Beibehaltung des Kulturdezernenten Hoffmann. Was Daniel Cohn -Bendit betrifft, so hat er unlängst an der Seite von Hauff in 'Kultur aktuell‘ (H 3) sein ästhetisches Bekenntnis zu der Schönheit der Hochhäuser abgegeben, eine futuristische Faszination mit leichten Rissen von Umwelteinflüssen. Sollte er da nicht auch der Konstruktion der neuen, von Helmut Jahn erbauten Messehalle 1 samt Inhalt etwas abgewinnen können?
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