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„Bewaffneter Haufen“

Der Polizeieinsatz kam völlig überraschend: „Auf einmal war die ganze Mariannenstraße voll von Wannen“. Minuten später fanden sich die BewohnerInnen des „Kreuzdorfs“, einer Bauwagensiedlung vor dem Rauchhaus auf dem Mariannenplatz, auf dem Boden, im Dreck liegend wieder. Während türkische Jugendliche und Antifa-Gruppen am letzten Donnerstag abend auf der Suche nach Skinheads und Neonazis durch den Kreuzberger Kiez zogen, wurden dreizehn „Kreuzdörfler“ kurz vor Mitternacht wegen „Bildung eines bewaffneten Haufens“ festgenommen und erst am nächsten Morgen wieder freigelassen. „Diesen Tatvorwurf haben ich in meiner zwanzigjährigen Amtszeit nicht einmal gehört“, so der Kommentar eines Anwalts. Nach §127 des Strafgesetzbuches kann, „wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt (...) oder eine Mannschaft mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht (...), mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden. Der Polizeisprecher teilte mit, daß Waffen wie Ketten, Steine, Latten etc. gefunden worden seien. Die BewohnerInnen weisen den Vorwurf der „Bewaffnung“ zurück. Sie hätten sich nur vor ihren Bauwagen aufgehalten und sich nicht an den Demonstrationen anläßlich des Hitlergeburtstages beteiligt. Die Holzlatten zum Beispiel würden zum Feuermachen benutzt. „Die haben die Gelegenheit genutzt, uns endlich einmal gründlich zu observieren“, so die Vermutung der „Kreuzdörfler“. Der Polizeieinsatz kam für die BewohnerInnen des Bauwagendorfs auch deshalb so überraschend, weil sie noch am Vortag von der Polizei kontrolliert worden seien. „Der eine hat uns sogar auf die Schulter geklopft und gesagt: Weiter so!“

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