: Des Datenschützers Stunde
■ Bremens oberster Datenschützer, Büllesbach, legte seinen 140-Seiten-Jahresbericht vor / Schwerpunkte: Gentechnik, Sicherheitsgesetze, Telefon-Technik
Wer in Bremen mal ein Wahl-Plakat übersprüht hat und dabei rechtsstaatlich erwischt wurde, hat beste Aussichten, inzwischen in der bundesweiten sogenannten Staatsschutz -Datei „APIS“ gelandet zu sein. „Indem Bremen vollständig und unsortiert nach Länder-Relevanz alle Bremer Daten nach Wiesbaden weitergibt, werden Bürger desavouiert, die - im Bereich der politischen Kultur, um sich Gehör zu verschaffen - zu Mitteln greifen, die am Rande des Rechtlichen liegen mögen!“ erklärte gestern vor JournalistInnen der oberste Bremer Datenschützer, Dr. Alfred Büllesbach. Und das war nur eine der zahlreichen, auf 140 Seiten Jahresbericht akribisch aufgeführten Beanstandungen in Sachen „Datenschutz“. Daß die Sozialbehörde in mutmaßlich bester Absicht „Hilfe -Konferenzen“ ab
hält, auf denen ganz ungebremst zur Integration behinderter und „gestörter“ Kinder gleich reihenweise SachbearbeiterInnen und Fachleute aus verschiedenen Ressorts, Familieninterna austauschen und beraten, trug dem Sozialsenator die Rüge „augenblicklich verfassungewidrige Praxis“ ein. Für ein Moratorium, also einen Forschungs- und Tätigkeitsstopp zugunsten intensiven Nachdenkens über Sinn und Verantwortung setzte sich Büllesbach beim Thema Gentechnik und Genom-Analyse ein - dies gelte auch für die bereits bestehende humangenetische Einrichtung an der Universität: „Wir haben genug geschichtliche Tatsachen gesammelt, die nachher alle nicht gewollt waren!“ Büllesbach sieht als Gefahr den sanften Zwang und die Geschäftsintressen von Krankenversicherungen und Arbeitge
berInnen, im augenblicklich rechtsfreien Raum Genom-Analysen zur Diagnose von Behinderungen und Krankheiten durchzuführen und ArbeitnehmerInnen massiv unter Druck zu setzen, ihre Daten zu offenbaren.
Die Uni hat schon angefangen, andere Bereiche folgen: Mit der geplanten Einführung von ISDN, den digitalen Telefonnetzen, werden Daten sammel- und abrufbar, die bislang niemand etwas angingen: Wer ruft an von welchem Apparat, mit wem wurde wann gesprochen usw. Ebenso dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene sieht Büllesbach für die seit dem entsprechenden Bundes -Verfassungsgerichtsurteil von 1983 („Volkszählungsurteil“) immer noch ungeregelte Datensammelei von Verfassungsschutz, Nachrichtendienst, militärischem Abschirmdienst,
Staatsanwaltschaften, Polizei, Strafverfolgung und Gerichten. Weil spätestens Ende 1990 der „Übergangsbonus“ abliefe, das betonte auch der Sprecher des Datenschutz -Ausschusses, Isola, sei ab dann jede Form der Verarbeitung personenbezogener Daten durch diese Dienste klar rechtswidrig. Isola: „Im Sicherheitsbereich müßten wir 1990 die Arbeit dicht machen.“
Daß die Bremer und Bremerhavener Polizeibehörden online und ebenfalls rechtswidrig auf das Ausländerzentralregister zugreifen wollen, daß die Live-Rundfunkübertragung der Untersuchungsausschüsse oder der Einsatz von PC bei Radio Bremen so nicht in Ordnung sind - all das und noch viel mehr können Bremer BürgerInnen im Jahresbericht nachlesen. S.P
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