: „Noch ein wenig Hoffnung für die Antarktis“
Die Geologin Sabine Schmidt lebte und forschte ein Jahr für Greenpeace in der Antarktis ■ I N T E R V I E W
taz: Sabine, du bist gerade zurückgekommen. Greenpeace betreibt ja seit drei Jahren eine Forschungsstation in der Antarktis. Was hast du dort gemacht?
Sabine Schmidt: Einmal an Studien zur Umweltverschmutzung gearbeitet, um Substanzen in der Antarktis festzustellen, die aus der nördlichen Hemisphäre, eben Industrieländern, stammen. Und dann habe ich die Umweltbelastungen vor Ort untersucht, die durch die Forschungsstationen hervorgerufen werden. Gerade deswegen wollen wir unsere Station möglichst umweltfreundlich betreiben.
Wir haben einen Windgenerator installiert, der die Heizung betreibt, einige Sonnenkollektoren und Filtersysteme für den Maschinenraum und für das Brauchwasser aufgebaut. Unseren Müll nehmen wir mit zurück. Es würde Jahrzehnte dauern, bis er bei diesen Tiefsttemperaturen zersetzt würde.
Besonders gerne stattet ihr den größeren Forschungsstationen Besuche ab.
Wir nehmen Wasser- und Bodenproben; in diesem Jahr haben wir uns wieder auf die US-Station McMurdo konzentriert, weil wir im letzten Jahr Schwermetalle in Böden und Abwässern festgestellt hatten. Die Zustände auf der Station, wo sich im Sommer fast 1.000 Menschen tummeln, sind schlimm. Sie lassen Müll offen herumliegen oder verbrennen ihn und fahren Schrott aufs Seeeis hinaus und warten einfach, bis das Zeug versinkt.
Ende Januar, noch vor der Ölkatastrophe in Alaska, hat in der Antarktis das argentinische Versorgungsschiff „Bahia Paraiso“ Hunderte Tonnen von Öl verloren und einen Küstenstreifen verseucht. Wie sieht es jetzt dort aus?
Wir konnten nicht selbst auf die antarktische Halbinsel, die ist fünfeinhalbtausend Kilometer entfernt von unserer Station. Aber wir wissen, daß die gesamte Nahrungskette betroffen ist, Krill verseucht wurde, und daran Seevögel, Wale, Robben und Pinguine sterben. Gerade diese Küstenregionen standen unter besonderem Schutz, da einige der wenigen höheren Pflanzen dort wuchsen. Das Ausmaß wird man erst in den folgenden Jahren begreifen können. Jetzt hat erst einmal der Winter jegliche Rettungsarbeiten unmöglich gemacht. Ich weiß von Wissenschaftlern, die zum Teil 25 Jahre dort forschten, daß deren Arbeit zunichte gemacht wurde.
Dieses Jahr wird entscheidend für die Zukunft des Südpols sein. Bis November soll ein Vertrag gezeichnet werden, der einen Rohstoffabbau regelt. Schließlich werden riesige Öl und Mineralienlager vermutet.
Der Vertrag regelt, wie die Antarktis ausgebeutet werden kann. Auf Maßnahmen zum Umweltschutz wird viel zu wenig eingegangen. Das einzige Gremium, das sich um Umweltbelange kümmert, hat weder Mitsprache- noch Vetorecht. Wenn Politiker sagen, daß dies ein Vertrag sei, um den Kontinent zu schützen, dann ist das nicht wahr. Der Vertrag klärt, wie Genehmigungsverfahren eingeleitet werden für Firmen, die dort kommerziell Rohstoffe abbauen wollen. Es geht vorwiegend um Öl.
Wie realistisch ist der Abbau jetzt?
Man hat zwar die Erfahrungen aus der Arktis wie auch mit Off-shore-drilling, also Ölbohrungen in Küstennähe. Aber die Antarktis ist rauher. Es gibt keine Erfahrung mit Eisbergen, die ganze Ölplattformen zerquetschen können. Und man weiß nicht, wie man mit Öltankern in starken antarktischen Strömungen umgeht. Keine Technik ist absolut sicher.
Wie konkret sind Pläne einzelner Länder?
Am klarsten sieht man das bei den Vorbereitungen zum Bau von Landebahnen wie zum Beispiel bei den Franzosen auf ihrer Station Dumont D'Urville. Die Amerikaner wollen an der Küste von Victorialand, wo im Moment nur ein kleiner Hubschrauberlandeplatz existiert, ein Gebäude, das 800 Leute unterbringen soll, bauen. Außerdem planen sie eine große Landebahn. Dort - in der Nähe vom McMurdo-Sund - haben die Neuseeländer Ende der 70er Jahre Erdölvorhaben gefunden. All das kann man nicht mit wissenschaftlichen Forschungsvorhaben erklären.
Wie ist der jetzige Vertragsstand?
16 der 20 beteiligten Länder müssen den Vertrag unterzeichnen, davon jene sieben mit Territorialansprüchen, fünf Entwicklungsländer und die beiden Supermächte. Momentan gibt es schon 15 Unterschriften. In den letzten Tagen hat der französische Premier Rocard sich dahingehend geäußert, daß Frankreich als ein Land mit Territorialansprüchen nicht zeichnen werde, und die Australier haben die Entscheidung vertagt. Laut Rocard hat man ja in Alaska gesehen, welche Katastrophen ein Rohstoffabbau verursachen könne. Momentan sieht es jedenfalls so aus, daß es noch ein wenig Hoffnung gibt, daß das Rohstoffabkommen nicht durchkommt.
Und die Deutschen?
Die Bundesregierung hat bekanntgegeben, daß sie unterzeichnen wird, hat dies aber noch nicht getan.
Was kann den Kontinent noch retten angesichts deiner Schilderungen? Was fordert Greenpeace?
Daß die Antarktis zum Weltpark erklärt wird, daß der gesamte Kontinent - das heißt alle Tieren und Pflanzen unter Schutz gestellt wird. Wir fordern ein Verbot aller militärischen und atomaren Nutzung sowie das Verbot der Suche und des Abbaus von Rohstoffen. Alle Aktivitäten müssen rein wissenschaftlichen Zwecken dienen und international koordiniert werden.
Interview: Andrea Seibel
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