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Chinas Studenten lassen sich nicht bluffen

■ Studenten verlangen Details zum Angebot der Regierung

Peking (afp/dpa/taz) - Die Pekinger Studenten haben sich auch gestern nicht in ihre Studierstuben verbannen lassen und sich beim Vorlesungsboykott von den Strapazen des Vortags augeruht.

Nach dem friedlich verlaufenen, enthusiastischen 32 -Kilometermarsch, der 500.000 Menschen auf die Straßen brachte, ließen sich die Studenten der renommierten Baida -Universität vom Verhandlungsangebot der Regierung nicht bluffen. Die KP-Führung verlangte ein Ende der Demonstrationen und will nur über die offiziellen Studentenverbände, die meist von Mitgliedern der Partei und des kommunistischen Jugendverbandes kontrolliert werden in den Dialog treten.

Die Studentenführer der von den Behörden als illegal eingestuften unabhängigen Organisationskomitees forderten indessen von der Regierung mehr Einzelheiten über die geplanten Beratungen, zu denen sie nur auf „gleichberechtigter Ebene“ bereit seien.

Das unabhängige Organisationskomitee der Studenten, das die Massendemonstration für demokratische Reformen vom Donnerstag in die Wege geleitet hatte, plädierte für den 4. Mai als Datum für die Aufnahme der Gespräche.

An diesem Tag vor siebzig Jahren waren die Pekinger Studenten auf die Straße gegangen, um gegen den Friedensvertrag nach dem ersten Weltkrieg zu demonstrieren, der die deutschen Interessen in China den Japanern übertrug. Dieser Protest markierte 1919 den Beginn der chinesischen Studentenbewegung und war Auftakt der Revolution, die 30 Jahre später zur Machtergreifung der Kommunisten führen sollte.

Nachdem es den Studenten am Vortag gelang ihre Bewegung auf weite Bevölkerungskreise, darunter Industriearbeiter und Angestellte auszudehnen, wurden die chinesischen Arbeiter bei einer Ehrung für „Musterarbeiter“ in Peking ermahnt, eine „entschiedene Haltung gegen den Aufruhr einzunehmen“. Der Pekinger Bürgermeister Chen Xitong warnte die Studenten mit Blick auf die 1. Mai-Veranstaltungen davor, das Land in Unruhen zu stürzen.

Die „Volkszeitung“ feierte die Ereignisse vom Donnerstag kommentarlos in einer Kurzmeldung auf der Titelseite der Freitagsausgabe ab. Ohne weitere Ausführungen war von Demonstrationen „Zehntausender“ Studenten in Peking die Rede.

Ein Lehrer der südchinesischen Stadt Changsha berichtete telefonisch nach Peking, auch in der Geburtsstadt Mao Tsetungs seien rund 25.000 Menschen, großteils Studenten, am Donnerstag für mehr Demokratie und gegen Korruption auf die Straße gegangen. Die Polizei soll bei dem sechsstündigen Protestmarsch nicht eingegriffen haben.%%

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