: Kämpferisch diszipliniert in Bonn
■ Trotz der Querelen im Vorfeld war die Hungerstreik-Demonstration nützlich
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Mit der Bonner Hungerstreik-Demonstration ist es ist wie mit dem berühmten Glas Wasser: Je nach Standpunkt hält man es für halb voll oder für halb leer. Sicher, Anfang des Jahres wäre jeder als Träumer abgekanzelt worden, der sich zu der Prognose verstiegen hätte, für die fast vergessenen RAF -Gefangenen könnten in Bonn 10.000 Menschen auf die Straße gehen. Insofern hat die im siebten Stock des Stammheimer Bunkers einsitzende Eva Haule recht, die die in den vergangenen drei Monaten erreichte Öffentlichkeit in ihrer Demoerklärung als großen Erfolg feiert. Leider signalisiert die Zusammensetzung der DemonstrantInnen eher eine erneute Einengung als eine Erweiterung des publizistisch im Verlauf des Hungerstreiks schon einmal erreichten Unterstützerspektrums. Es hätten eben viel mehr sein können und müssen als diese 10.000. Man stelle sich vor, welche Symbol- und auch reale Kraft ein Auftritt Carlchristian von Braunmühls bei dieser Demonstration hätte entwickeln können. Daß es dazu nicht gekommen ist, erscheint nach dem ausgesprochen harmonischen Verlauf der Demonstration um so mehr als verpaßte Chance. Die Querelen um die Redeliste im Vorfeld waren unnötig wie ein Kropf.
Die Bonner Demonstration hat im Verlauf der mehrwöchigen Vorbereitung auf bemerkenswerte Weise ihren Charakter verändert. Als erstmals dazu aufgerufen wurde, mußte man davon ausgehen, daß sie bewußt in eine Atmosphäre äußerster Zuspitzung plaziert wurde. Die Zeichen standen auf Eskalation. Die Unterbrechung des Hungerstreiks von Karl -Heinz Dellwo und Christa Eckes und die erklärte Bereitschaft der Gefangenen zur Entspannung waren noch nicht bekannt. Dementsprechend wurde die zentrale Demo insbesondere innerhalb des staatlichen „Sicherheitsapparats“ - als Kampfansage interpretiert. So war es offensichtlich nicht gedacht. Die Abbrucherklärung - „Hungerstreik ist keine RAF-Aktion“ - wie auch die Beiträge aus den Gefängnissen zur Kundgebung selbst - „den Raum für einen Kompromiß aufmachen“ (Christian Klar) - sprechen eine andere Sprache.
Am Ende schienen Gefangene, Anwälte und Demonstrationsleitung vor allem anderen daran interessiert, die von innen vorgegebene Linie der Kompromißbereitschaft auch draußen zu vermitteln und durchzusetzen. In Bonn sollte noch einmal dokumentiert werden, daß es um die Veränderung der Haftsituation geht - und um nichts sonst. Die laufenden Gespräche zur Lösung des Konflikts sollten nicht gestört werden. Tatsächlich lieferte der Bonner Aufzug den Protagonisten der „harten Linie“ auf seiten des Staates keinerlei Handhabe, ihre Betonpositionen noch einmal öffentlich hervorzukramen. Manchem oder mancher mag das zuwenig sein. Die Demokoordinatoren jedenfalls feiern den Erfolg ihrer „kämpferisch disziplinierten Demonstration“.
Gerd Rosenkranz
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