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Staatsempfang für Arafat in Paris

Der französische Staatspräsident Mitterrand traf in Paris den PLO-Chef / Mediengerechte Inszenierung einer Botschaft: Dialog statt Krieg / Jüdische Gemeinde uneins über Besuch  ■  Aus Paris Georg Blume

„Ein sehr nützliches und erfolgreiches Treffen“, stotterte Yassir Arafat auf den Stufen des Elysee-Palastes. Noch wirkte er etwas benommen von diesem zweifellos bedeutsamsten politischen Empfang, der ihm bislang in der westlichen Welt gemacht wurde - Fran?ois Mitterrand läßt grüßen. Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats mit einer nach wie vor aktiven Nahostpolitik ist Frankreich die für Arafat wichtigste Station im Westen vor den USA. In Paris war dem PLO-Chef gestern jede Huldigung recht.

Von den Inhalten des rund anderthalbstündigen Gesprächs der beiden Politiker wurde zunächst nur wenig bekannt. Mitterrand habe betont, daß die Charta der PLO aus dem Jahre 1964 in wesentlichen Punkten im Widerspruch zum politischen Programm der Organisation vom November 1988 stehe. Hier habe Mitterrand eine „Erklärung der Lage“ gefordert, wie Elysee -Sprecher Hubert Vedrine mitteilte.

Schamir protestiert

aus Israel

Mitterrand hatte sich für den offiziellen Staatsgast ohne Staat nicht lumpen lassen. Gesperrte Straßen vom Flughafen bis in die Stadt, 2.000 Polizisten, Scharfschützen auf den Dächern - kurz, das Aufgebot stimmte. Kein Wunder, daß Jizchak Schamir schon am Vortag aus Jerusalem tönte: „Dieser Besuch beeinträchtigt die Freundschaft zwischen Israel und Frankreich.“ Arafat zeigte sich dennoch kompromißbereit. Den Plan des iraelischen Ministerpräsidenten Schamir, in den besetzten Gebieten Wahlen durchzuführen, lehne die PLO zwar ab, aber nicht kategorisch, beteuerte die palästinensische Seite gestern in Paris. Freilich war der Gipfel im Elysee -Palast nicht einberufen worden, um diplomatische Durchbrüche zu erzielen.

Selten hat ein Ereignis der Nahostpolitik, in der es sonst um harte Realitäten, um Bomben und Steine geht, und wo für kunstvolle Inszenierungen oft wenig Zeit bleibt, einen ähnlichen Showeffekt produziert. Arafat bei Mitterrand in Paris vor fünfhundert Journalisten - das ist für die Organisatoren eine der bislang spektakulärsten Testveranstaltungen für ein neues Image des Nahostkonflikts: Dialog statt Krieg. Mitterrand und Arafat demonstrieren das nicht hinter diplomatischen Kulissen, sondern vor der Weltöffentlichkeit.

„Ich komme nach Frankreich, um den Frieden zu suchen“, versprach denn auch der PLO-Chef im prophetischen Stil. Weil in Frankreich annäherend 600.000 Juden leben - die größte Diaspora in der westlichen Welt nach den USA -, unterliegt Staatsgast Arafat noch einem besonderen Test der Öffentlichkeit. „40 Jahre Krieg sind genug. Die französischen Juden müssen die Führer Israels davon überzeugen.“ Bereits im Vorfeld seines Besuchs richtete sich Arafat an die jüdische Bevölkerung in Frankreich. Gerade in Paris, zwischen Demonstrationen und Kritik seiner politischen Gegner, kann Arafat beweisen, daß es einem westlichen Staatschef nicht mehr zum Nachteil gereicht, den PLO-Chef zu empfangen.

Aufruf zu

Gegendemonstrationen

Für ein solches Unternehmen ist Mitterrand ein ausgezeichneter Partner. Kaum ein zweiter Staatschef gilt den Israelis als treuerer Freund. So streiten sich die Freunde Israels in Frankreich seit Wochen über die Opportunität der Arafat-Visite in Paris. Frankreich könne mit solchen „effekthascherischen Initiativen seine Seele verlieren“, warnte der „Repräsentative Rat jüdischer Einrichtungen in Frankreich“ (CRIF) und rief zur Gegendemonstration am Dienstag auf.

Dieser scharfe Ton, über den sich gar Mitterrand erregte, ging widerum anderen, ebenso angesehenen Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft, zu weit. Simone Weil, die renommierte konservative Europapolitikerin, verteidigte den Dialog mit Arafat.

So schien es, als verlaufe die jüdische Diskussion um Arafat nun in ernsthaften Bahnen. Ein gutes Zeichen also für den Besuch des PLO-Chefs in Paris.

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