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„Überkapazitäten bei Fleisch und Milch“

Reiner Kutsch, Sprecher des Verbandes Berliner Naturkostfachgeschäfte, über Vermarktungsdruck und die Zukunftsaussichten der Bioläden  ■ I N T E R V I E W

taz: Die Bioland-Bauern haben mehr Milch, als zur Zeit im Naturkosthandel verkauft wird. Sie glauben, über niedrigere Preise in den Läden oder Ausdehnung auf den konventionellen Handel mehr Milch absetzen zu können.

Reiner Kutsch: Wir bekommen hier in Berlin aus dem Bereich Bioland gerade einen fürchterlichen Vermarktungsdruck. Wie haben einen bestimmten Anteil an Verbrauchern biologischer Produkte, der wächst auch, aber Bioland ist überproportional gewachsen. Mit Getreide und Gemüse kommen sie relativ gut klar. Im Fleisch- und Milchbereich gibt es Überkapazitäten. Bioland muß sich fragen lassen, ob da die Anbauplanung sich überhaupt am vorhandenen Markt orientiert hat. Es sei denn, man wollte von vorneherein andere Wege gehen als über die Naturkostläden. Aber auch da wäre eine Planung von Nöten, die sich an den Absatzmöglichkeiten orientert.

Die Milch ist nun mal da. Die Bauern produzieren unter ökologisch sinnvollen Bedingungen und wollen, daß es auch ökonomisch sinnvoll wird.

Unser Marktanteil liegt derzeit bei 0,2 bis 0,3 Prozent. Wir sind angetreten mit dem Vorsatz, daß sich alle Menschen besser ernähren, daß überall biologischer Landbau betrieben wird. Wenn nur zehnmal mehr Menschen, was mit drei Prozent immer noch ein verschwindend geringer Anteil wäre, das nun wollen, dann können wir als Naturkostläden das momentan nicht leisten. Um uns selber gegenüber nicht unglaubwürdig zu werden, müssen wir die Vermarktung im konventionellen Handel sowieso zulassen. Aber wir haben auf dem Ökosektor Pionierarbeit geleistet, und wir wollen uns nicht einfach beiseite schieben lassen!

Also doch eine verschärfte Konkurrenzsituation.

Wir wollen neben den anderen bestehen können, weil wir ich nenne das mal so: „Charme“ - haben, unsere Läden Athmosphäre statt Neonstress bieten, weil wir bessere Beratung machen, weil wir engagierter sind, weil es bei uns noch überschaubar ist, wo die einzelnen Produkte herkommen, wo das Geld hinfließt. Meine Bilanzen liegen jedermann offen. Allerdings müssen wir uns weiter qualifizieren. Wir müssen uns weiter in Richtung Fachgeschäft entwickeln. Wir sind da noch lange nicht fertig. Ich befürchte allerdings auch, daß die kleineren Läden so mit 20 bis 40 Quadratmetern, die kein umfassendes Warenangebot bieten können, langfristig wenig Chancen haben.

Was wir brauchen, um konkurrenzfähig sein zu können, sind gleiche Grundpreise für die Produkte, keine Mengenrabatte für den konventionellen Handel, und daß korrekt kalkuliert wird. Wenn dann die gleichen Produkte im Kaufhaus billiger sind, können die Kunden erkennen, daß diese Preise durch einen anderen Bereich subventioniert werden. Dann haben wir mit den gerade aufgezählten Vorteilen - auch wenn wir teurer sein sollten- eine Perspektive.

Fragen: Peter Huth

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