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Geistiger Dünnschiß einer Leihmutter

■ Auch der Konkret-Verlag will mal 'ne schnelle Mark machen: Mit dem (fingierten) Erlebnisbericht „Ich war eine Leihmutter“ / Die Lebensschützer werden begeistert Beifall klatschen

Daß sich vom hehren Geist allein nicht leben läßt, haben auch linke Verlage einsehen müssen. Ins Programm muß auch irgendwas Populäres. Waren's früher die Beziehungskisten der Frauen, sind neuerdings Männer die Renner. Auch Frauenkrimis haben sich als Mittel gegen strapazierte Verlagsfinanzen bestens bewährt. Der Konkret-Verlag, wackere Bastion im harten Fundi-Kampf, guckte bislang in die Röhre. Es fehlte ein Zugpferd zur Finanzierung der gut-linken, aber schlecht verkäuflichen Ware. Das soll nun anders werden.

Ich war eine Leihmutter, so der Titel des als heiß gehandelten Hoffnungsträgers, um den auch Rowohlt und Heyne gebuhlt haben sollen. Ein platter Erfahrungsberichts von einer unter Pseudonym schreibenden Autorin namens Felicitas Franke. Fassungslos habe ich zur Kenntnis genommen, wie jemand es fertig bringt, soviel politischen Blödsinn und intellektuellen Dünnschiß auf knapp 200 Seiten zusammenzuschreiben.

Die Story ist simpel: Eine Frau braucht Geld und trägt ein Kind aus. Doch für ein Buch ist das zu dürftig, und so muß auch die Ökologie dran glauben. Um wegen der zunehmenden Umweltzerstörung zusammen mit Tochter und Freund die Bundesrepublik verlassen zu können, wird die Ich-Erzählerin für 30.000 Mark Leihmutter. Dabei passieren allerlei Dinge: Eine Leihmutteragentur macht krumme Geschäfte, das Vertrauen zur zukünftigen sozialen Mutter bekommt einen Knacks und natürlich, das durfte nicht fehlen, bringt Tschernobyl neue Probleme. Theater nur also, was uns hier als Realität verkauft werden soll.

Doch ob wahr oder nicht, schlimm ist die Ideologie, die von Felicitas Franke verbraten wird. Sie verteidigt nicht nur die Leihmutterschaft mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und sieht darin eine Möglichkeit zum Geldverdienen, die Autorin bemüht darüber hinaus eine Reihe Klischees aus der „Heimatfilmecke“. Da ist von „Mitleid“ mit der sterilen Frau die Rede, von den „Schicksalen“, die eine glückliche Wende nehmen, und von „Frauensolidarität“. Das klingt dann so: „Einzig und allein das Vertrauen in die zukünftige Mutter des Kindes könnte für mich die Trennung von einem Menschen, den ich neun Monate unterm Herzen tragen würde, erträglich machen.“ Amen. Mehr läßt sich dem nicht hinzufügen. Während sie die In-Vitro-Fertilisation (Zeugung außerhalb des Mutterleibs im Reagenzglas) als „groben Verstoß gegen die Naturgesetze“ bezeichnet und ablehnt, ist die Leihmutterschaft für sie eine natürliche Lösung, um einem Paar zu einem Wunschkind zu verhelfen, sofern sie nicht anonym geschieht. Felicitas Franke favorisiert die Methode, bei der die gemietete Frau per Spritze mit dem Samen des Ehemanns der sterilen Frau befruchtet wird. Ferner plädiert sie für die „direkte Begegnung zwischen ungewollt kinderlosen Frauen und ungewollt Schwangeren. Dafür müßten Institutionen wie Pro Familia und Adoptionsvermittlungsstellen zusammenarbeiten. Vielleicht ließe sich dadurch die eine oder andere Frau, die ansonsten aus existenzieller Not abtreiben müßte, umstimmen, zumal wenn sie ihr Kind geliebt und wohlversorgt wüßte.“ Als ließen sich Kinder wie gebrauchte Klamotten abgeben! Die Lebensschützer jedenfalls werden Beifall klatschen!

Das Resümee des Erfahrungsberichts sei LeserInnen nicht vorenthalten: „Für mich bleibt die idealste Lösung des ersehnten Kinderwunsches die Adoption eines Babys aus der Dritten Welt, wo täglich 40.000 oder mehr unschuldige Kinder verhungern müssen, während sich der/die zivilisierte Wohlstandsbürger/in Gedanken darüber macht, wie er/sie die überflüssigen Pfunde los wird.“ Daß Auslandsadoptionen heikel sind und gerade verhungernde Kinder keine Ersatzeltern finden, scheint die Autorin nicht wahrnehmen zu wollen. Weil die wohlhabenden Europäer Säuglinge bevorzugen, werden viele Kinder aus der Dritten Welt inzwischen in „Babyfarmen“ für den Export produziert.

Nach soviel Naivität und politischer Blauäugigkeit bleibt nur, das Buch schnell wieder zuzuklappen und über den peinlichen Fehlgriff des Verlages hinwegzusehen. Für 'Konkret‘ hat sich die Sache dennoch gelohnt. Die Taschenbuchrechte wurden schon verkauft. Wer sich literarisch mit Leihmutterschaft befassen will, sollte statt dessen die „Geschichten von natürlichen und unnatürlichen Katastrophen“ von Patricia Highsmith lesen.

Heide Soltau

Felicitas Franke: Ich war eine Leihmutter. Konkret Literatur Verlag Hamburg, 24 Mark

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