: Zankapfel Entwicklungshilfe
Fünf Jahre lang ist die Entwicklungshilfe für Nicaragua in Bonn ein Zankapfel gewesen. Erst zwischen Grünen und den anderen Parteien, dann zwischen Koalition und Opposition und jetzt zwischen der CDU, in der vor allem Bundespräsident von Weizsäcker drängt, Nicaragua wieder Geld zukommen zu lassen, und auf der anderen Seite der CSU, die noch letzte Woche nach Argumenten suchte, um die Sandinisten als Störenfried Mittelamerikas zu präsentieren. Doch alles deutet darauf hin, daß die Bundesregierung über eine Absichtserklärung nicht hinausgehen wird, wenn Daniel Ortega am Dienstag in Bonn Klinken putzen geht. Man wird ihm wohl bestenfalls zusagen, die Entwicklungshilfe nach den Wahlen in Nicaragua im Frühjahr 1990 wiederaufzunehmen, falls diese sauber verlaufen sollten. Und über Sauberkeit wurde in Bonn (und Washington) noch immer mit politischer Meßlatte entschieden. Wenn es um Zentralamerika geht, allemal. Ein Rückblick in die jüngere Geschichte genügt.
Noch 1978, ein Jahr vor dem Sieg der sandinistischen Revolution, wickelte das Bonner Entwicklungshilfeministerium (BMZ) einen Kredit über 10,5 Millionen Mark für Nicaragua ab. In Managua herrschte damals Diktator Somoza, in Bonn eine sozialliberale Koalition. Von den 92 Millionen Mark Finanzhilfe, die die BRD 1979 bis 1982 dem mittelamerikanischen Land bewilligte, wurden noch unter dem SPD-Entwicklungsminister Rainer Offergeld 40 Millionen eingefroren und sind bis heute nicht enteist. Dann kam die Bonner Wende. Jede Entwicklungshilfe an die Sandinisten wurde eingestellt. Nur die Grünen opponierten damals im Bundestag dagegen, daß Nicaragua wegen politischer Unbotmäßigkeit bestraft, El Salvador und Guatemala hingegen, wo die Christdemokraten an die Regierung kamen, die Militärs aber an der Macht blieben, mit der Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe belohnt wurden.
Nachdem die Sandinisten dann im November 1984 mit 66 Prozent der Stimmen eine Wahl gewonnen hatten, die von fast allen internationalen Beobachtern als „sauber“ eingestuft wurde, näherte sich die SPD den Sandinisten wieder langsam an. Im März zog gar Hans-Jürgen Wischnewski 1988 die Fäden bei der Herstellung eines Waffenstillstands zwischen Regierung und Contra, und die Sandinisten machten immer mehr Zugeständnisse an die westeuropäischen Demokratievorstellungen. Und schon längst fordert die SPD auch die Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe.
Total war der bundesdeutsche Boykott Nicaraguas allerdings nie. Auf Sparflamme floß all die mageren Jahre hindurch die sogenannte „Technische Hilfe“. Experten der bundeseigenen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) führten die bereits laufenden Projekte weiter: Berufsausbildung, biologischer Pflanzenschutz, kartographische Erfassung des Landes mithilfe von Luftbildern. Auch der Deutsche Entwicklungsdienst blieb in Nicaragua - wenn auch die Zahl der Entwicklungshelfer vom BMZ auf gut 30 zurückgeschraubt wurde.
Im vergangenen Herbst reiste, angeführt vom CDU -Abgeordneten Pinger, eine Bundestagsdelegation nach Nicaragua und empfahl nach ihrer Rückkehr, die Finanzhilfe an Nicaragua wieder aufzunehmen, wenn die Sandinisten bei der Erfüllung des Friedensabkommens von Esquipulas, das die Präsidenten der fünf mittelamerikanischen Staaten im August 1987 in Guatemala unterzeichnet hatten, weiter gut mitspielten. Nun, sie spielen nicht nur mit, sie haben sich sogar damit abgefunden, daß sie fast die einzigen Akteure in diesem sogenannten Friedensprozeß blieben. Ihre jüngsten Zugeständnisse: Die letzten 1.800 der für ihre Grausamkeiten berüchtigten Nationalgardisten der Somoza-Diktatur wurden im März dieses Jahres aus dem Gefängnis entlassen. Im April wurde ein neues Wahlgesetz verabschiedet, mit dem die Opposition mehr als zufrieden sein kann (es aber natürlich nicht ist). Es folgte ein Mediengesetz, das die während des Krieges praktizierte Vorzensur verbietet, allerdings dem Innenministerium bei „Gefahr für die Staatssicherheit“ weiterhin erlaubt, Zeitungen oder Sender bis zu drei Tage lang zu schließen. Selbst skeptische westeuropäische Diplomaten in Managua sind jetzt - ganz privat natürlich der Meinung, der richtige Zeitpunkt, die Tür zu den Sandinisten nicht nur einen Spaltbreit, sondern ein Stück weiter zu öffnen, sei nun gekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen