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Das Alibi Normalvollzug

■ Der Hungerstreik der RAF-Gefangenen hat sich zum zweiten Mal zugespitzt

KOMMENTAR

Was, so fragt man sich seit Wochen, mag sich hinter den „steten Bemühungen und Verhandlungen“ zur Beendigung des Hungerstreiks verbergen, auf die allenthalben verwiesen wird? Einmal war das Geheimnis derart „steter Bestrebungen“ des Bonner Justizstaatssekretärs Kinkel gelüftet worden. Das geschah während der ersten bedrohlichen Zuspitzung in diesem Hungerstreik, als die Gefangenen Christa Eckes und Karl -Heinz Dellwo sich in einem ähnlich lebensbedrohlichen Stadium des Hungerns befanden wie jetzt Gabriele Rollnik und Rolf Heißler. Damals gelangte ans Licht der Öffentlichkeit, daß Kinkel die Bildung von fünf Gruppen zu je fünf Gefangenen für vertretbar hält. Damit zog er sich den Zorn von Politikern nach dem Schlage der bayrischen Justizministerin Berghofer-Weichner zu, die sogleich androhte, ihre Gefangenen keinesfalls zwecks Gruppenbildung in anderen Bundesländern abzugeben, sondern unter CSU-Obhut behalten zu wollen - quasi in Geiselhaft.

Diese finsteren Töne aus den, stets mit Munition aus der Rebmann-Behörde unterlegt, ließen den Kinkel-Vorschlag schließlich unversehens in einem Lichte erscheinen, als sei er so kinkelig eigentlich nicht. Und doch, was der Mann anzubieten hatte, ist nicht mehr als Schnee von gestern. Gabriele Rollnik, die unter Lebensgefahr hungert, war bis 1984 in einer solchen Fünfer-Gruppe im Berliner Hochsicherheitstrakt Moabit inhaftiert. Auch eine Gruppe von sieben Gefangenen hat es im Berliner Hochsicherheitstrakt bereits gegeben, und auch die Hungerstreikenden im Hochsicherheitstrakt Lübeck waren bereits einmal in einer Fünfer-Gruppe von den übrigen Gefangenen abgesondert inhaftiert. Der Staat ist auch dadurch nicht aus den Angeln gehoben worden - Gefangene sind Gefangene. Nicht weil sie ein Sicherheitsrisiko darstellten, sind diese Gefangenen -Gruppen in dieser Form inzwischen aufgelöst, sondern weil Gefangene aus der Haft entlassen wurden.

Der Gefangene Holger Meins starb 1974 den Hungertod - für die Forderung nach „normalen Haftbedingungen“, dem sogenannten Normalvollzug. Seither hat es für keinen Gefangenen aus der RAF jemals „normale Haftbedingungen“ gegeben. Wenn Bundesjustizminister Engelhard auch in dieser zweiten zugespitzten Phase des Hungerstreiks mit vom „Prinzip Gleichbehandlung“ redet und damit einer Zusammenlegung entgegentritt, so sagt er eben nur die halbe Wahrheit. Der „besondere Tätertyp“ ist diesen Gefangenen 18 Jahre lang stets zur Legitimation der Sonderhaftbedingungen bescheinigt worden. Und vor diesem Hintergrund ist eine Zusammenlegung nicht mehr als die Verwirklichung humaner Haftbedingungen.

Maria Kniesburges

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