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Schwarze Tage für die Bewohner Beiruts

■ Die heftigen Gefechte bedrohen die Bemühungen der Arabischen Liga / 60 Tote, 300 Verletzte / Syrisch-irakische Rivalitäten auf libanesischem Territorium /

Beirut/Berlin (afp/taz) - Die libanesische Bevölkerung in Beirut und Umgebung erlebte in den letzten beiden Tagen die heftigsten Gefechte, seit der christliche Regierungschef General Michel Aoun am 14. April seinen „Befreiungskrieg“ gegen die syrischen Besatzungstruppen ausrief. Tausende von Geschossen schlugen in beiden Stadtteilen ein. Auch Krankenhäuser in beiden Teilen der Hauptstadt erlitten schwere Treffer. Die Bilanz der Opfer belief sich bis Dienstag mittag auf 30 Tote und 300 Verletzte.

Nachdem am Montag zunächst drei Stunden lang der christliche Sektor der Stadt das Ziel heftiger Bombardements war, detonierten am späten Abend sieben Stunden lang Granaten in den von der syrischen Armee und ihren moslemischen verbündeten kontrollierten Gebieten. Im moslemischen Westbeirut, wo es die meisten Opfer gab, standen ganze Häuserzüge in Flammen. Auch die Telefonzentrale wurde getroffen; damit brach im Libanon das gesamte Netz zusammen. Für die Bevölkerung stellt das eine zusätzliche Härte dar, denn das Telefon ist in den Stunden schwerer Kämpfe die einzige Verbindung zur Außenwelt.

Beide Bürgerkriegsparteien beschuldigten sich einmal mehr, die Friedensbemühungen der Arabischen Liga torpediert zu haben. Die Kämpfe waren bereits am Wochenende wieder aufgeflammt, nachdem die beiden Vermittler der Liga zu den Feierlichkeiten am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan in die syrische Hauptstadt Damakus gereist waren. Einer von ihnen, der Algerier Lahdar Ibrahimi, hat unterdessen die Rückreise angetreten, sitzt jedoch wegen eines Streiks auf dem Flughafen von Rom fest. Von seiten der Liga hieß es unverdrossen, die Ende der letzten Woche beschlossene Entsendung einer Waffenstillstands-Beobachtertruppe sollte beschleunigt durchgeführt werden. Der Waffenstillstand war formell am 27.April in Kraft getreten, ohne daß die verfeindeten Parteien ihn wirklich eingehalten hätten. Das Aufflammen der heftigen Gefechte am Montag droht nun die Vermittlungsbemühungen insgesamt scheitern zu lassen, denn die Liga hatte stets betont, daß sie ihre Beobachter nur im Falle einer stabilen Waffenruhe entsenden werde.

Äußerungen libanesischer und syrischer Politiker zeigen indessen, daß auf dem libanesischen Terrain nicht nur lokale Konflikte ausgefochten werden. Am Freitag letzter Woche forderten Drusenführer Walid Dschumblat und der Chef der schiitischen Amal-Miliz, Nabih Berri, auch die christlichen Häfen in Ostbeirut und Junieh müßten von den Beobachtern der Liga überwacht werden. Damit solle sichergestellt werden, daß die Truppen Aouns keinen Nachschub an Waffen und Munition aus dem Irak erhalten. Dieser Punkt war in den Beschlüssen der Arabischen Liga nicht enthalten gewesen. Am Sonntag zog der syrische Verteidigungsminister Mustafa Tlas nach und bezeichnete Aoun als Instrument der Iraker.

General Aoun beansprucht gegenüber der mit Syrien verbündeten moslemischen Seite, den „unabhängigen Libanon“ zu verkörpern. Doch im vergangenen Jahr erhielt er Schätzungen zufolge vom Irak Beutewaffen aus dem Golfkrieg im Wert von einer Milliarde Dollar. Syrien hatte im Golfkrieg den Iran unterstützt. Nach dem Waffenstillstand vom vergangenen Sommer verlagerte sich die Rivalität zwischen Irak und Syrien, die von unterschiedlichen Fraktionen der Baath-Partei regiert werden, in den Libanon. Einmal mehr ist es die libanesische Bevölkerung, auf deren Fortsetzung Seite 2

Rücken auch inner-arabische Konflikte ausgetragen werden.

Derzeit scheint es, als sei die syrisch-irakische Rivalität zugleich der Pferdefuß bei den Vermittlungsbemühungen der Arabischen Liga, der beide Staaten angehören. Offenbar war es diesmal Syrien, das den Waffenstillstand vom 27.April torpedierte. Schlechte Aussichten also für eine neue Vermittlungsrunde.

bs

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