Eure Exzellenz, Companero Ortega

■ Staatsbesuch aus Nicaragua: Der Präsident im revolutionären Olivgrün vor 1.500 Bremer InternationalistInnen / Marktplatz voll rot-schwarzer Fahnen / Wedemeier verschenkt Hafenbarkasse

Vom Rathaus wehte die blau-weiß-blaue Staatsfahne Nicaraguas. Doch die Fähnchen, die die rund 1.500 BremerInnen gestern mittag zum Besuch des Nica-Präsidenten Daniel Ortega auf dem Bremer Marktplatz schwenkten, waren rot-schwarz - die Farben der sandinistischen Revolution. Mit „Hoch - die - internationale Solidarität“ begrüßte die Menge den schmächtigen Präsidenten, der noch vor zehn Jahren selber als Guerilla-Kämpfer mit der Knarre in der Hand um die Befreiung Nicaraguas von der blutigen Diktatur Somozas kämpfte. Geblieben ist dem Präsidenten davon die olivgrüne Uniform, mit der er zum Staatsempfang in Bonn erschienen war und die er auch gestern in Bremen zeigte.

„Nicaragua hat in den vergangenen acht Jahren des Widerstandes gegen die imperialistische Bedrohung viel gelitten“, begann Daniel Ortega nachdenklich seine Rede an die Versammlung, zu der das Bremer Bündnis „Nicaragua muß überleben“ aufgerufen hatte. „Über 60.000 Opfer hat der Contra-Krieg gefordert, aber wir haben nicht aufgegeben“, rief der Comandante dann und erntete den ersten lauten Applaus.

Eindeutig zweideutig waren dagegen die Reaktionen, als sich Ortega ausdrücklich bei seinem „Freund, dem Companero Klaus Wedemeier“ für dessen Reise nach Corinto und die anschlie

ßende öffentliche Unterstützung der sandinistischen Regierung bedankte. Laute Pfiffe und ebenso lautes Klatschen hielten sich die Waage, der deutsche „Companero“ stand unterdessen lachend hinter Ortega.

Neben den autonomen UnterstützerInnen des RAF-Hungerstreiks standen gewerkschaftlich gesinnte LehrerInnen, Mitglieder verschiedener Bremer Solidaritätsgruppen, engagierte ChristIn

nen, Falken und Sozialdemo kratInnen. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Armin Stolle war gleich mit seiner ganzen Schulklasse aus der Gesamtschule Mitte gekommen. Alle unterstützen sie Solidaritäts-Projekte in dem revolutionären Land. Der Sprecher der Solidaritätskomitees zählte einige von ihnen auf und dankte für die „machtvolle Demonstration“.

Nach einer kurzen Visite in der

Bürgerschaft wurde der Comandante auf dem Marktplatz von der sandinistischen Hymne empfangen. Ungewohnt begeisterte BremerInnen schwenkten dazu ihre Fahnen.

Zum ersten Mal saß kurz darauf der Bremer CDU-Fraktionschef Reinhard Metz mit einem echten Revolutionär am Mittagstisch im Kaminsaal des Rathauses. „Es ist ein Gebot der Höflichkeit und der Gastfreundschaft“,

begründete er seine Teilnahme an dem Festessen, obwohl sich die CDU-Parteifreunde in Bonn gegenüber der nicaraguanischen Bitte um Wiederaufnahme bundesdeutscher Entwicklungshilfe an Nicaragua gerade stur gestellt hatten. Artig klatschte Metz auch mit, als Bürgermeister Wedemeier von der Bundesregierung die Teilnahme an der schwedischen Solidaritätskonferenz forderte, auf der von europäischen Staaten, Japan und Kanada 250 Mio Dollar Soforthilfe für Nicaragua gesammelt werden sollen. Auch Daniel Ortega klatschte mit, leistete sich ansonsten aber nicht den kleinsten Seitenhieb in Richtung Bonn. Im Gegenteil: Der verprellte Präsident bedankte sich ausdrücklich für den „freundlichen Empfang“ beim Bonner Kanzler.

„Ihr Besuch, Exzellenzen“, wandte sich Wedemeier an die ungewöhnlichen Staatsgäste, „ist leider zu kurz, um Ihnen unsere Stadt vorzustellen. Sie haben aber draußen auf dem Marktplatz sicher gemerkt, daß sie in Bremen viele Freunde haben. Menschen, die Sie und Ihr Land und seinen langen Kampf um Freiheit engagiert unterstützen.“ Als Erinnerungsgeschenk schickt Bremens Senat im Sommer eine ausgediente Hafenfähre nach Nicaragua. Eure Exzellenz, Companero Ortega, bedankte sich höflich.

Dirk Asendorpf