Held besucht „Heldenstadt“

Washingtons neuer Botschafter in Bonn Vernon H. Walters machte gestern seinen Antrittsbesuch in Berlin  ■ P O R T R A I T

„Sprachgenie in geheimer Mission“ titelte die Mottenpost, um Vernon Walters, der gestern für zwei Tage nach Berlin kam, ihren Lesern näherzubringen. In gekonntem Understatement eröffnete das „Genie“ seine Pressekonferenz deshalb gleich mit einer Entschuldigung ob seiner schlechten Deutschkenntnisse, aber jetzt käme er zum Üben. Immerhin stellte er gleich unter Beweis, daß sie durchaus reichen, um sich jeder kritischen Frage gekonnt zu entziehen. Er sei schließlich Soldat, so kommentierte er die Bemühungen der Journalisten, und deshalb wisse er Minenfelder zu vermeiden. Zuvor hatte ihm die US-Mission einen hochoffiziellen Empfang bereitet. Eingerahmt von Böllerschüssen und Blaskapelle hielt der US-Stadtkommandant eine Eloge auf den „Helden im Dienste des Vaterlands“, der seit über 40 Jahren unermüdlich für die gute Sache unterwegs sei. Ob als Vize-CIA-Chef oder als Sonderbotschafter diverser Präsidenten, Walters habe sich einen herausragenden Ruf als trouble-shooter erworben. Rechte wie Linke sind sich zumindest darin einig, es nicht mit einem kleinen Licht zu tun zu haben. Weitgehend nachgewiesen ist Walters unmittelbare Beteiligung am Sturz von Salvador Allende und seine Unterstützung für die brasilianischen Putschisten 1964. Auch in Guatemala und Argentinien soll Walters die rechten Militärs tatkräftig unterstützt haben. Zum Dank konnte er denn auch die argentinische Junta dazu überreden, 100 Militärberater für die nicaraguanische Contra zur Verfügung zu stellen. Der britische 'New Statesman‘ schrieb kürzlich, Walters sei derjenige US-Politiker, der direkt oder indirekt in die meisten Staatsstreiche verwickelt gewesen sei. In Berlin darauf angesprochen, ob seine Ernennung ein Indiz dafür sei, daß die US-Administration Bonn nun zur Krisenregion erklärt habe, verlegte Walters sich aufs Ironische: Er habe einmal in einer Woche vier Regierungen gestürzt und erst am siebenten Tag innegehalten und Pause gemacht - wenn das, was über ihn alles geschrieben würde, tatsächlich stimme, wundere er sich, warum Amerika immer noch so viele Feinde habe. Gerade hier fühle er sich jedoch von Freunden umgeben. Denn: Berlin sei für ihn eine „Heldenstadt“, die das „Fanal der Freiheit“ in alle Welt getragen habe und nach wie vor dafür stehe. Gerade im Moment komme Berlin wieder eine Schlüsselposition im Ost-West-Verhaltnis zu, denn „Berlin sei der Prüfstein für den sowjetischen Entspannungswillen“. Solange Mauer, Schießbefehl und Wachhunde die Grenze in der Stadt markieren, habe er Zweifel am Entspannungswillen im Kreml. Insgesamt sei seine Position, nach der ein „kommunistisches Regime“ grundsätzlich nicht reformierbar sei, trotz Polen und Ungarn noch nicht wirklich erschüttert. Wenn wie in Chile ein Plebiszit gegen eine Diktatur erfolgreich möglich sei, könne er an Wandel tatsächlich glauben. Eines hält Walters jedoch für unveränderbar: „Auch im Jahr 3000 wird es bei den Regierungen auf dem Mars und auf dem Mond Menschenrechtsprobleme geben. Es gibt Probleme, die werden niemals gelöst.“ Ein kalter Krieger alter Schule grüßt die Frontstadt Berlin.

Jürgen Gottschlich