Demo gegen „Schertzbolde“

■ Über 6.000 PolizistInnen demonstrierten gegen Krawalle und Deeskalation / Viele „Republikaner“ dabei / Momper bekam Schläge angedroht

„Nächstes Mal hau'n wa Dir was in die Fresse!“ droht der ältere Herr mit schütterem Haar dem Regierenden Bürgermeister. Obwohl Walter Momper gestern am späten Nachmittag an der Spitze der Demonstration mitmarschierte, marschierte er nicht gerade an der Spitze der Bewegung. Die meisten der über 6.000 Polizeidemo-TeilnehmerInnen waren stinksauer auf ihren Bürgermeister. So geriet sein Auftritt auf dem von der Gewerkschaft der Polizei angemeldeten Protestmarsch „für ein friedliches Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt“ zu einem regelrechten Spießrutenlauf. „Momper raus!“ war noch einer der charmanteren Sprüche, die vom aufgebrachten Publikum der Demonstration skandiert wurden.

Neben der Gewerkschaft der Polizei, der CDU, SPD und dem DGB hatten auch die „Republikaner“ zur Demonstration aufgerufen. Deren Landesvorsitzender, Polizeiobermeister Andres, führte denn auch einen Block von rund tausend Menschen an, die offensichtlich mit den Rechtsradikalen sympathisierten. Auf Flugblättern forderten die REPs den Rücktritt von Pätzold, - eine Forderung, die anscheinend die Stimmung im gesamten Zug haargenau traf. Kaum wurde sein Namen über den Lautsprecherwagen der GdP genannt, erschollen ein gellendes Pfeifkonzert und „Pätzold weg!„-Rufe. Auch der Polizeipräsident bekam sein Fett weg: „Schertzbolde und Pätzolde Unholde!“ war auf einem Transparent zu lesen.

Der Demo-Zug wurde seitlich von einzelnen Autonomen begleitet, die aber - offensichtlich aus Gründen der Deeskalation - keine Haßkappen trugen. Eben diese 'Deeskalation‘ scheint in Berlins Polizeiszene zur Zeit das meistgehaßte Wort zu sein. „Wenn Pätzold kalte Füße kriegt, verheizt er die Polizei!“ hieß es auf einem Transparent. Die Frau eines Polizisten, die auf der Abschlußkundgebung am Rathaus Schöneberg eine Rede hielt, bekam tosenden Beifall, als sie sagte: „Dieser Innensenator hat nicht mehr das Vertrauen der Polizei und der Berliner!“ Exbürgermeister Eberhard Diepgen, der nebst Gattin ebenfalls am Marsch teilnahm, stand dagegen hoch im Kurs. Während sein Nebenmann, Walter Momper, immer blasser wurde, sonnte sich der Exbürgermeister in „Eberhard! Eberhard!„-Rufen.

Trotz der bitterbösen Stimmung blieb das Ganze nicht ohne Ironie: Ausgerechnet den auf jeder linken Demo abgespielten 'Fehlfarben'-Song über die „Polizeieiei“ schob der GdP -Funktionär im Lautsprecherwagen in den Cassettenrecorder. Und gleich danach, man glaubt es kaum, Hannes Wader: „Trotz SPD und alledem, ein schnöder scharfer Winterwind, durchfröstelt uns - trotz alledem!“

ccm