Forschungsinstitute im Zwielicht

Max-Planck-Mitarbeiter steckten in der Affäre um illegale Nuklearexporte nach Pakistan / Neues aus dem Bonner Atom-Untersuchungsausschuß / Eigentümliche Vermarktung von öffentlich finanzierten Erfindungen  ■  Aus Bonn Carlotte Wiedemann

In der Affäre um illegale Nuklearexporte nach Pakistan geraten immer mehr bundesdeutsche Forschungsinstitute ins Zwielicht. Nachdem bisher ein Exmitarbeiter des Garchinger Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik als wissenschaftlicher Kopf des Pakistan-Deals galt, entpuppte sich gestern ein weiterer Hauptbeschuldigter als langjähriger Angestellter eines renommierten Instituts. Der Physiker Peter Finke arbeitete bis 1987 bei der Darmstädter Gesellschaft für Schwerionenforschung und wirkte nebenbei als „Berater“ bei Exporten nach Pakistan mit, die vermutlich ein wesentlicher Teil des dortigen Atomwaffenprogramms wurden. Für seine Nebentätigkeit, so erläuterte Finke gestern vor dem Bonner Atomausschuß, hatte er eine pauschale Genehmigung seines Arbeitgebers: Die Gesellschaft für Schwerionenforschung ist überwiegend im Bundesbesitz und betreibt Grundlagenforschung in Kernphysik. Als Berater der hessischen Nuklearfirma NTG ging Finke in den wichtigsten europäischen Großforschungseinrichtungen ein und aus.

Nach den gestrigen Zeugenvernehmungen im Ausschuß scheint es im Nuklearbereich weitverbreitete Praxis zu sein, daß aus Steuergeldern bezahlte Wissenschaftler nebenbei Ingenieurbüros betreiben, um ihre Erfindungen zu vermarkten. Heinrich Weichselgartner, der gerade entlassene Tritium -Experte des Garchinger Max-Planck-Instituts, berichtete, er habe damals auf Geheiß seines Arbeitgebers einen weitgehenden Beratervertrag mit der Nuklearfirma NTG abgeschlossen, der das Gesamtgebiet auch künftiger Tritium -Technologie umfaßte. Tritium wirkt als Sprengkraftverstärker in Atombomben. Der Leiter des Max -Planck-Instituts hatte sich hingegen in den vergangenen Wochen vehement von den Aktivitäten seines Exmitarbeiters distanziert. Weichselgartner, der jetzt mit einer Anklage wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu rechnen hat, wurde nach eigenen Angaben aber damals sogar für den „Technologie-Transfer-Preis“ des Forschungsministeriums vorgeschlagen: Er erhielt den Preis nicht, weil das von ihm erfundene Tritium -Behandlungsverfahren nur einmal verkauft werden konnte. Weichselgartner: „Der Umsatz war nicht hoch genug für den Preis.“

Mit dem Karlsruher Kernforschungszentrum, dem Max-Planck -Institut und der Gesellschaft für Schwerionenforschung stehen jetzt bereits drei Institute im Verdacht, die verbotene Weiterverbreitung von Atomwaffen-Technologie zumindest zu begünstigen. Die SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuß forderte gestern von der Bundesregierung, „endlich eine effektive Überwachung dieser Einrichtungen sicherzustellen“.